Sportförderung
«Digitalisierung ist ein Projekt ohne Anfang und Ende»
Bild: Manuela Schenker
Im vierten und letzten Teil unserer Serie zur «Zukunft von Sportvereinen und -verbänden» nehmen wir uns dem Thema «Digitalisierung» an. Dies am Beispiel der IG Sport Aargau, die sich bereits bei ihrer Gründung 2018 intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.
Digitalisierung ist in aller Munde. Entsprechend spielt sie auch bei Sportvereinen und Sportverbänden eine wichtige Rolle. Erklären, was denn genau mit dieser Digitalisierung gemeint ist, ist aber äusserst schwierig. «Einfach eine Whatsapp-Gruppe für den Vorstand zu eröffnen, ist sicherlich nicht gemeint mit Digitalisierung», sagt Philipp Moor von «vereinscoaching.ch». «Wichtig ist, dass man sich in einem Vorstand entscheidet, wo es wirklich sinnvoll ist, die Digitalisierung einzusetzen und wo nicht.»
Gerade für die Mitgliederverwaltung, die Buchhaltung und das Rechnungswesen gibt es etliche Anbieter, die einem die Arbeit deutlich erleichtern. «Entscheidend ist dabei, dass man im Vorfeld gut überprüft, welche Schnittstellen ich mit meinen Programmen habe – beispielsweise zu den Dachorganisationen. Die Vernetzung spielt eine wichtige Rolle», so Moor. Neben der Vereinssoftware ist das Datenmanagement – also das Abspeichern und Archivieren der Daten zentral, damit alle Personen in den entsprechenden Funktionen darauf zugreifen können.
«Der gesunde Menschenverstand ist entscheidend, um die Gratwanderung zwischen Hype und Realität im Bereich der Digitalisierung zu meistern.»
Die Frage des Datenmanagements stand auch am Ursprung der Überlegungen bei der IG Sport Aargau, als sich diese 2018 neu aufstellte und erstmals einen Geschäftsführer installierte. Präsident Jörg Sennrich blickt zurück, zieht nach vier Jahren eine erste Zwischenbilanz und wagt einen Ausblick, was im Bereich Digitalisierung noch auf die Aargauer Sportszene zukommt.
Bild: Fabio Baranzini
«Wir haben bei der IG Sport Aargau von Anfang an erkannt, dass der digitale Wandel immer stärker wird. Entsprechend haben wir das als einen unserer Schwerpunkte definiert – für unsere Mitglieder aber auch für den Aufbau unserer eigenen Organisation. Den ersten Grundsatzentscheid, den wir gefällt haben, war: Wir gehen mit all unseren Daten in die Cloud. Das gab natürlich im Vorstand einige Diskussionen rund um das Thema Sicherheit und Datenschutz. Aber die waren wichtig und haben unser Bewusstsein geschärft. 2019 haben wir uns entschieden, mit Sharepoint zu arbeiten und alle unsere Daten dort abzuspeichern mit Zugriffen für alle Vorstandsmitglieder und Mitarbeitenden. Ein Entscheid der sich bewährt hat – nicht zuletzt in der Coronakrise.
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Ein zweites wichtiges Anliegen der IG Sport Aargau ist es, die Mitglieder miteinander zu vernetzen, Konnektivität herzustellen über die Grenzen der Sportarten hinaus. Auch dafür wollten wir neben physischen Anlässen auf digitale Hilfsmittel setzen. Wir haben uns entschieden, das Tool «BeUnity» zu nutzen und dort eine Kommunikationsplattform aufzubauen, die genau diesen Austausch ermöglicht. Heute sind es 100 Personen aus unseren Mitgliederverbänden, die sich dort austauschen. Ein solches Tool einzuführen, ist natürlich immer ein gewisses Risiko. Denn für unsere Mitglieder ist es «schon wieder» ein neues Tool. Aber wir haben uns für diesen Weg entschieden und wir sind mit eisernem Willen daran, dort unsere Erfahrungen zu sammeln – auch wenn es sehr viel Zeit und Engagement benötigt, bis die Plattform zum Laufen kommt. Schön ist: Es gibt einen harten Kern, der laufend wächst. Wir erhoffen uns, dass die «BeUnity»-Plattform noch mehr an Attraktivität gewinnt, wenn in den Vorständen unserer Mitgliedervereine der Generationenwechsel weiter voranschreitet.
Bild: BeUnity
Die Digitalisierung wird bei uns auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Denn Digitalisierung ist ein Projekt ohne Anfang und Ende. Es ist ein Transformationsprozess, der immer weiterläuft. Wir haben vier Schritte definiert, die wir mit der IG Sport Aargau im Bereich der Digitalisierung in Zukunft angehen möchten:
- Wir wollen die Bedürfnisse unserer Mitglieder punkto Digitalisierung evaluieren. Welche Plattformen und Tools nutzen sie bereits? Wie werden diese genutzt? Und führen sie zur gewünschten Entlastung?
- Nach dieser Analyse werden wir uns auf die Suche machen nach weiteren Tools und Instrumenten, um das Ehrenamt in Vereinen und Verbänden zu entlasten. Das Ziel besteht darin, auf diese Weise die Attraktivität des Ehrenamts zu steigern – nicht, dass motivierte Personen abspringen, weil noch immer alte Strukturen vorherrschen.
- Wir wollen zudem herausfinden, ob es dank der Digitalisierung neue Führungsgrundsätze und Organisationsformen gibt, die auch für Sportvereine und Sportverbände interessant sein könnten.
- Und letztlich wollen wir in einem vierten Schritt dank diesen neuen Instrumenten und Tools in Kombination mit den neuen Führungsgrundsätzen und Organisationsformen neue Prozesse entstehen lassen und optimieren. So, dass letztlich auch das Potenzial des digitalen Marketings genutzt werden kann, dass insbesondere für Randsportarten ein Gewinn sein kann.
Serie «Zukunft von Sportvereinen- und verbänden»
Das Thema «Zukunft» ist für Sportvereine und Sportverbände gleichermassen wichtig. Deshalb haben wir uns diesem Themenbereich angenommen und eine vierteilige Artikelserie erarbeitet.
- Teil 1: Zukunftsfragen – «Sportvereine sind sehr oft in Routinen gefangen»
- Teil 2: Professionalisierung – «Die Mitglieder müssen von Anfang an mit ins Boot geholt werden»
- Teil 3: Visionen – «Neuerungen haben es oftmals schwer, weil es von Vereinsseite eine Abwehrhaltung gibt»
- Teil 4: Digitalisierung – «Digitalisierung ist ein Projekt ohne Anfang und Ende»
Ganz entscheidend im Umgang mit der Digitalisierung – egal in welchem Stadion des Prozesses man sich befindet – ist die Sinnfrage. Der gesunde Menschenverstand ist entscheidend, um die Gratwanderung zwischen Hype und Realität im Bereich der Digitalisierung zu meistern. Längst nicht alles, was es auf dem Markt gibt, ist ein Fortschritt. Und Digitalisierung kann und soll man nicht um jeden Preis erzwingen. Ich bin der Überzeugung, dass der Sport mit Reglementen, Vorschriften und Weisungen in gewissen Bereichen überstrukturiert und überreglementiert ist.
Wir wollen bei der IG Sport Aargau mit gutem Beispiel vorangehen und unseren Mitgliedern helfen, diese Strukturen aufzubrechen. So, dass wir in zehn Jahren attraktiver und professioneller sind – unter anderem dank digitalen Instrumenten und Tools, die mithelfen, den Sport insgesamt weiterzuentwickeln. Dafür benötigen wir weiterhin unglaublich viel Engagement. Wir müssen Erfahrungen machen, diese auswerten, Rückschläge in Kauf nehmen und weitermachen. Das ist entscheidend.»