Über den Tellerrand
«Ein guter Handballer ist nicht zwingend ein guter Beachhandballer»
Bild: zur Verfügung gestellt
In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal geht es um Beachhandball, wo der Aargauer Verein BHV Wasserschloss bei den Männern seit 2019 ohne Unterbruch Schweizer Meister ist.
Handball ist ein klassischer Hallensport. Aber eben nicht nur. Ähnlich wie Beachsoccer im Fussball gibt es auch im Handball eine Sommervariante auf Sand: Beachhandball. Wie genau diese Sportart funktioniert, weshalb ein guter Hallenhandballer nicht zwingend ein guter Beachhandballer ist und wo im Aargau man Beachhandball spielen kann, erklärt uns Dominik Wüst. Er spielt beim BHV Wasserschloss, dem aktuell besten Team im Schweizer Beachhandball, und ist Bestandteil der Schweizer Nationalmannschaft, für die er bereits an zwei Europameisterschaften teilgenommen hat.
«Ähnlich wie beim Beachsoccer ist Beachhandball schnell und spektakulär.»
Seit zwölf Jahren spielt Dominik Wüst im Sommer Beachhandball und im Winter «normales» Handball in der 2. Liga beim STV Baden. Ein bis zwei Mal pro Woche wird in Birr während den Sommermonaten Beachhandball trainiert – je nachdem ob gerade ein Turnier ansteht oder nicht. Die Truppe ist wild zusammengewürfelt. Vom 4. Liga Handballer bis zum NLA-Crack ist alles dabei. Gemeinsam bestreiten sie drei, vier Turniere pro Jahr. Eines davon die Schweizer Meisterschaft, die nicht in einem herkömmlichen Meisterschaftsbetrieb ausgetragen wird, sondern in Turnierform. Vor wenigen Wochen haben die Wasserschloss-Beachhandballer den Titel erneut erfolgreich verteidigen können.
Kleineres Feld und mehr Action
Zuerst wollen wir von Dominik wissen, wo denn die grössten Unterschiede zwischen dem klassischen Handball und dem Beachhandball liegen. Seine Antwort: «Das Feld ist in etwa halb so gross wie in der Halle und pro Team gibt es nur vier Spieler. Gespielt wird zwei Mal zehn Minuten und ähnlich wie beim Beachsoccer ist Beachhandball schnell und spektakulär. Der vielleicht grösste Unterschied zum normalen Handball ist, dass kein Körperkontakt erlaubt ist – das ist für sehr viele Handballer eine grosse Herausforderung und mit ein Grund, weshalb ein guter Hallenhandballer nicht zwingend auch ein guter Beachhandballer sein muss.»
So weit so gut. Aber schauen wir uns die Eigenheiten des Beachhandball noch etwas genauer an. Denn es gibt noch einige weitere Unterschiede zum Hallenhandball. Das Team, das angreift, ist immer in der Überzahl. Zu viert greift die Mannschaft an gegen drei Verteidiger und einen Torhüter. Der wichtigste Spieler beim angreifenden Team ist der Spezialist. Das ist der Spieler, der im Angriff den Torhüter ersetzt. Wenn er ein Tor erzielt, gibt es für die angreifende Equipe jeweils zwei Punkte. Auch die anderen Spieler können Tore erzielen, die doppelt zählen. Dafür müssen sie bei der Schussabgabe entweder eine Pirouette in der Luft einbauen oder einen sogenannten Kempa-Flieger realisieren. Dafür muss der Ball nach dem Absprung gefangen und noch vor der Landung im Sand aufs Tor geworfen haben – vergleichbar mit einem «Alley Oop» im Basketball. Sobald ein Angriff abgeschlossen ist, muss der Spezialist das Spielfeld so schnell wie möglich verlassen, damit er in der Verteidigung durch den Torhüter ersetzt werden kann.
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Sprungkraft, Koordination und Ausdauer
Auch bei der Zählweise gibt es wichtige Unterschiede. Das Team, das in der ersten Halbzeit mehr Treffer erzielt hat, gewinnt die erste Hälfte. Nach dem Seitenwechsel wird das Skore wieder auf null gestellt und alles beginnt von vorne. Sollte nun die andere Equipe die zweite Hälfte gewinnen, kommt es zu einem sogenannten Shootout – einer Art Penaltyschiessen, bei dem jedes Team fünf Schützen stellt. Auf diese Weise wird der Sieger der Begegnung ermittelt.
Was braucht es denn, um im Beachhandball erfolgreich zu sein? Dominik Wüst beschreibt es wie folgt: «Eine gute Sprungkraft ist gerade im Sand sehr wichtig. Zudem brauch es eine gute Koordination, damit man die Pirouetten und Kempa-Flieger umsetzen kann, denn letztlich werden im Beachhandball fast nur diese Würfe praktiziert, da sie mehr Punkte geben. Und man braucht eine gute Ausdauer, denn wenn man an einem Turniertag fünf bis sechs Partien im Sand bestreitet, weiss man am Abend, was man gemacht hat. Was es dagegen nicht braucht, ist ein gutes Handballverständnis. Natürlich hilft es, aber es ist überhaupt keine Voraussetzung. Wir haben Spieler bei uns, die super Beachhandballer sind, aber noch nie Handball im Verein gespielt haben.»
Bild: Alessandro Crippa
Drei Vereine im Aargau
Wer im Aargau Beachhandball ausprobieren möchte, der muss sich beim BHV Wasserschloss melden. Das Ost-Aargauer Team ist die einzige Männer-Equipe im gesamten Kanton Aargau, die Beachhandball spielt. Bei den Frauen ist die Auswahl etwas grösser. Da gibt es mit den Wasserschloss Beachqueens und den Wohlen Beach Turtles immerhin zwei Teams. «Früher spielten vor allem bei dexn Männern im Aargau noch deutlich mehr Mannschaften. Aktuell ist Beachhandball aber leider stark rückläufig, da auch der Schweizer Handballverband das Beachhandball lange Zeit nur sehr stiefmütterlich behandelt hat», sagt Dominik Wüst. Nun ist aber Besserung in Sicht. «Der Handballverband engagiert sich erstmals auf Nachwuchsstufe fürs Beachhandball, damit die Sportart künftig wieder wächst. Das wird aber noch ein paar Jahre dauern.»
Bild: Alessandro Crippa
Hinweis
Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.