World Wide Aargau

«Tennis ist hier in Amerika ein Teamsport»

von Fabio Baranzini – 22. April 2025

Die Aargauer Tennisspielerin Sophie Lüscher in Aktion

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Sophie Lüscher (22) aus Seengen lebt seit fast vier Jahren in den USA, wo sie am College Tennis spielt. Wie ihr Alltag in Amerika aussieht, weshalb sie nach drei Jahren die Universität gewechselt hat und welche Ziele sie in Zukunft verfolgt, erzählt sie uns in der neusten Ausgabe unserer Serie «World Wide Aargau».

Sophie, du hast bis zum Ende deiner Juniorenzeit in der Schweiz trainiert und viele internationale Turniere bestritten. Rang 114 in der Junioren Weltrangliste war deine beste Klassierung. Wie kam es dazu, dass du dich anschliessend für den Weg nach Amerika ans College entschieden hast?
Für mich war schon gegen Ende der Oberstufe klar, dass ich in die Kanti möchte und nicht voll auf die Karte Tennis setze, wie das andere in meinem Alter gemacht haben. Ich tat das mit dem Gedanken, dass ich später einmal studieren möchte. Mir war aber schnell klar, dass die Kombination aus Studium und Tennis in der Schweiz sehr schwierig ist. Amerika bietet dahingehend aber die perfekte Möglichkeit mit dem College-Tennis. Deshalb habe ich mich nach dieser Lösung umgeschaut.

Wie darf ich mir das vorstellen? Wie «schaut» man sich nach einer passenden Universität um?
Da passiert relativ viel über Instagram. Ich wurde von verschiedenen Coaches und Universitäten angeschrieben. Zudem hatte ich in meiner Juniorenzeit Turniere in Amerika bestritten und wurde dort dann auch persönlich angefragt, ob ich für College-Teams spielen möchte. Letztlich war für mich aber die Unterstützung eines Bekannten aus Deutschland sehr wichtig, der selbst einmal am College gespielt hat und jetzt junge Spielerinnen und Spieler bei der Auswahl der richtigen Universität hilft.

Die Aargauer Tennisspielerin Sophie Löscher in Aktion

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Wie viele Universitäten kamen für dich letztlich in Frage und aufgrund welcher Kriterien hast du dich entschieden?
Ich hatte am Ende rund fünf Universitäten zur Auswahl, bei denen ich mir hätte vorstellen können, zu spielen und zu studieren. Da der Zeitpunkt meiner Entscheidung während der Coronapandemie war, konnte ich nicht nach Amerika reisen, um mir die Universitäten anzusehen und die Coaches persönlich kennenzulernen. Ich musste mich also anhand der Telefonate, die ich mit den Coaches führte, entscheiden. Ich habe dabei den Fokus daraufgelegt, herauszufinden, mit wem ich am besten zusammenarbeiten kann. Am Ende habe ich mich dann für die University of Oregon entschieden.

Da bist du auch heute noch?
Nein, ich habe nach drei Jahren die Universität gewechselt. Das war im letzten Sommer. Seither bin ich in Seattle, wo ich an der University of Washington studiere und trainiere.

Sind solche Wechsel während des Studiums üblich?
Vor dem letzten Studienjahr ist ein Wechsel eher selten.

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Warum hast du dann trotzdem gewechselt?
Es waren viele verschiedene Faktoren, die zusammengekommen sind. Letztlich kann man es wohl am besten so zusammenfassen, dass ich eine neue Herausforderung und Inspiration benötigt habe für mein letztes Jahr in den USA.

Hat sich der Wechsel gelohnt?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich in Seattle gut eingelebt und fühle mich wohl. Wir haben ein sehr cooles Team, was für mich sehr wichtig ist. Denn Tennis ist hier in Amerika ein Teamsport. Das macht es extrem spannend, denn wir Einzelsportlerinnen müssen uns gegenseitig unterstützen, damit wir zum Erfolg kommen. Das braucht Akzeptanz und Offenheit von allen. Genau das erlebe ich hier in Seattle.

Nimm uns doch mal mit in deinen Alltag an der Universität in Seattle. Wie geht es da zu und her?
Es hat 55’000 Studierende auf dem Campus, der aber nicht riesig ist, weshalb die meisten Studierenden irgendwo in der Stadt wohnen und nicht auf dem Campus. Ich habe mit einer Kollegin, die nicht im Tennisteam ist, eine Zweier-WG. Es ist super, dass ich mit jemandem zusammenwohne, der nicht Tennis spielt. Das ist ein schöner Ausgleich. Jeweils am Vormittag stehen die Trainings an. Von acht bis neun trainieren wir Kondition, Athletik und Kraft. Danach spielen wir rund zweieinhalb Stunden Tennis. Am Nachmittag besuche ich dann meine Vorlesungen. Ich studiere internationale Beziehungen und schliesse den Bachelor im Sommer ab.

Die Aargauer Tennisspielerin Sophie Lüscher mit ihren Teamkolleginnen

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Welchen Stellenwert hat der Sport ganz allgemein und Tennis im speziellen an deiner Universität?
Wie in ganz Amerika hat der Sport einen sehr hohen Stellenwert. Das merkt man natürlich auch hier an der Universität. Die grössten Sportarten sind bei uns Basketball, Volleyball und American Football. Diese Sportarten locken richtig viele Zuschauer an und es werden auch auf Universitäts-Stufe sehr viele Tickets verkauft und Spiele im TV übertragen. Das bringt der Universität natürlich auch Geld ein. Beim Tennis sieht das hingegen ganz anders aus. Obwohl Tennis eine Weltsportart ist, kann man unsere Spiele gratis anschauen und wir spielen vor maximal 50 Zuschauerinnen und Zuschauern. Das hat nichts damit zu tun, wie gut unser Teamist – wir gehören zu den besten 20 Teams der USA. Aber das ist auch schön und gut, dass bei uns alles etwas kleiner ist. So lernen wir die meisten Zuschauer persönlich kennen.

Hat sich der Wechsel dennoch gelohnt für dich?
Auf jeden Fall! Wir haben – obwohl wir zu den kleinen Sportarten an der Universität gehören – eine tolle Infrastruktur, die wir nutzen können und auch die Betreuung im Team ist super. Wir haben drei Tenniscoaches und einen Athletiktrainer. Zudem können wir bei Bedarf sportpsychologische Angebote nutzen, die Physiotherapie besuchen und auch eine Ernährungsberatung steht uns zur Verfügung. Es ist unglaublich, was wir da alles haben.

«Die vier Jahre in Amerika haben mich gut auf meine Profikarriere vorbereitet.»

Sophie Lüscher, College-Tennisspielerin 

Du hast vorhin erzählt, dass Tennis an der Universität ein Teamsport ist. Kannst du uns kurz erklären, wie ihre eure Meisterschaft austragt?
Unsere Saison dauert von Januar bis Mai. In dieser Zeit haben wir nur ein einziges freies Wochenende und ansonsten spielen wir jede Woche eine bis zwei Begegnungen gegen andere Universitäten. Wir sind ein Team von acht Spielerinnen und wir bestreiten sechs Einzel und drei Doppel gegen die anderen Universitätsteams. Etwa die Hälfte unserer Begegnungen sind Heimspiele und die andere Hälfte finden auswärts auf den Anlagen der anderen Universitäten statt. Das bedeutet, dass wir sehr viel reisen. Wir müssen zwar nicht ganz in den Süden von Amerika reisen, aber wir bestreiten mehrmals pro Saison Auswärtsspiele an der anderen Küste von Amerika. Das sind dann schon mal Flüge, die fünf Stunden und mehr dauern.

Ihr fliegt fünf Stunden und mehr für eine einzige Begegnung?
Bei längeren Reisen bestreiten wir dann meist zwei Begegnungen. Wir fliegen beispielsweise am Mittwoch hin, trainieren am Donnerstag und bestreiten dann Freitag und Sonntag je eine Begegnung, bevor wir zurückfliegen. Es ist aber auch so eine ziemlich intensive Zeit mit vielen Reisen.

Im Sommer endet deine Bachelorzeit in den USA nach vier Jahren. Wie geht es danach für dich weiter?
Ich werde dann zurück in die Schweiz kommen und meine Karriere als Tennisprofi lancieren. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt nicht schon vor meiner Zeit in Amerika gewagt habe. Damals wäre ich noch nicht bereit gewesen dafür. Das Leben als Tennisprofi ist hart. Man ist viel unterwegs – oftmals alleine – und die ganz grosse Mehrheit der Spielerinnen und Spieler beendet das Turnier mit einer Niederlage. Nur jemand gewinnt am Ende. Das ist mental sehr hart. Die vier Jahre in Amerika haben mich aber gut darauf vorbereitet.

Die Aargauer Tennisspielerin Sophie Lüscher in Aktion

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Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.