Zurück in den Leistungssport
«Die Diagnose war für mich ein Schock»

Bild: zur Verfügung gestellt
Die 23-jährige Aargauer Unihockey Nationalspielerin Leonie Wieland hat sich im letzten Training vor dem Superfinal Ende April das Kreuzband im linken Knie gerissen. Wir begleiten sie im Rahmen einer Artikelserie auf ihrem Weg zurück in den Spitzensport. Im ersten Teil erzählt Leonie uns, wie es zur Verletzung kam, was alles passierte, bis die Diagnose letztlich stand, und wie ihr neuer Alltag aussieht.
«Es passierte im letzten Training vor dem Superfinale um die Schweizer Meisterschaft. In der letzten halben Stunde kam es zu einem ganz normalen Zweikampf zwischen mir und einer Teamkollegin. Ich bin dabei aufs Knie gefallen und obwohl es eigentlich nichts Spektakuläres war, fühlte sich mein Knie komisch an. Ich versuchte weiterzuspielen, merkte aber sofort, dass die Stabilität nicht da war. Ich knickte mit meinem linken Knie immer gleich weg. Mein erster Gedanke war: ‘Oh Gott, da ist etwas kaputt.’
Ich liess mich noch im Training von unserer Physiotherapeutin untersuchen. Der sognannte Schubladentest fiel zum Glück negativ aus – es sollte also kein Bänderriss sein. Ich habe dann versucht, ein paar isolierte Sprünge zu machen, was ganz gut geklappt hat. Der Versuch, auf dem Feld nochmals zu spielen, blieb aber ohne Erfolg.
«Ich bin mega dankbar, dass ich dieses Spiel tatsächlich noch bestreiten konnte.»
Am nächsten Morgen – es war der Freitag vor dem Superfinal am Sonntag – hatte ich um 8 Uhr einen MRI-Termin beim Sportarzt. Über Nacht hatte mein Knie zu schmerzen begonnen und ich konnten mit dem linken Bein nicht mehr auftreten. Ich bin daher an Stöcken zur Untersuchung gegangen und sah schwarz für den Superfinal. Der Sportarzt meinte dann aufgrund der MRI-Bilder aber, dass es sich lediglich um eine Zerrung des hinteren Kreuzbandes handelt und ich mit Schmerzmedis und Tape beim Superfinal spielen könne.
Das war dann auch tatsächlich so. Dank viel Physiotherapie im Vorfeld, sowie Schmerzmitteln, Tapes und ganz viel Adrenalin während des Spiels konnte ich den Superfinal bestreiten. Ich spielte durch, schoss sogar noch ein Tor und konnte mit einen Teamkolleginnen einen 9:2-Seig feiern. Ich bin mega dankbar, dass ich dieses Spiel tatsächlich noch bestreiten konnte.

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In der Woche nach dem Final war mein Knie allerdings stark geschwollen und die Schmerzen waren wieder da. Nach einer Woche Pause absolvierte im Kraftraum ein paar Übungen, habe aber schnell realisiert, dass praktisch nichts mehr geht. Die Stabilität war weg und auch an Joggen war nicht zu denken. Ich ging zurück zum Physiotherapeuten für weitere Untersuchungen. Diesmal war der Schubladentest positiv und auch bei der zweiten Bildgebung beim Kniespezialisten zeigte eine klare Diagnose: Mein linkes Kreuzband war gerissen. Und zwar war es schon im Training gerissen, nicht erst im Superfinal. Das zeigte sich bei noch genauerer Analyse der ersten Bilder.
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Die Diagnose war für mich ein Schock. Ich hatte ja zwar schon direkt beim Unfall gemerkt, dass etwas nicht stimmt, aber dass es jetzt tatsächlich ein Kreuzbandriss war, war für mich ein Schock. Vor allem weil ich als erstes an die World Games im August in China und an die WM im Dezember in Tschechien denken musste. Ich habe in dieser Situation kurz meine gesamte Karriere hinterfragt und habe direkt noch aus dem Spital weinend meinen Freund angerufen. Er konnte mich dann zum Glück ein wenig beruhigen und hat mir geholfen, gemeinsam mit meinen Ärzten, Trainern und meiner Familie einen Plan aufzustellen, wie wir das Beste aus der Situation machen können.

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Der Plan sieht nun vor, dass ich die Verletzung sicher bis im Oktober konservativ behandle – also ohne Operation. Das ist die einzige Möglichkeit, wie ich vielleicht doch noch an der WM teilnehmen kann. Und zudem ist es auch die einzige Option, wie ich mein Praktikum als Hebamme im Sommer absolvieren kann. Wenn ich operieren würde, würde ich die WM verpassen und müsste das Studiums ein Jahr pausieren, weil ich das Praktikum nicht machen könnte. Deshalb habe ich mich für diese Variante entschieden. Es kann aber dennoch sein, dass ich – obwohl ich jetzt im Aufbau alles richtig mache – trotzdem nicht an der WM spielen kann und eine Operation nötig ist. Mein Sportarzt ist nämlich nicht mega optimistisch, dass die konservative Therapie zum Erfolg führt. Dies weil mein Knie beim Durchbewegen nicht sehr stabil ist. Diese Unsicherheit liegt mir schon etwas auf dem Magen.
Ich konzentriere mich jetzt aber dennoch voll und ganz auf meinen Aufbau. Zwei Mal pro Woche besuche ich die Physiotherapie und ich arbeite im Bereich der Neuroathletik an meinem ‘Brainspeed’, damit ich sofort bereit bin, wenn ich wieder Unihockey spielen darf. Zudem absolviere ich drei bis vier Mal pro Woche ein 1:1 betreutes Aufbautraining. Die Übungen sind mega anstrengend, aber auch unglaublich langweilig, weil ich im Moment nur kontrollierte Bewegungen machen darf. Also all das, was mir so viel Spass macht – die Explosivität, die Schnelligkeit, das Auspowern – ist im Moment nicht möglich. Ich darf auch keinen Stock in die Hand nehmen, um ein paar Bälle zu schiessen, weil dabei das Risiko einer unkontrollierten Bewegung zu gross ist. Mich an all diese Regeln zu halten, fällt mir unglaublich schwer. Das Unihockey fehlt mir extrem.
Im Alltag klappt es dafür eigentlich schon ganz gut. Ich trage eine etwas unbequeme Schiene am linken Knie, welche die Funktion meines gerissenen Kreuzbandes übernimmt, und habe so fast keine Einschränkungen. Und zudem gabs für mich auch noch einen Motivationsboost: Ich wurde vor wenigen Tagen als «Most Popular Player» der Saison ausgezeichnet. Das motiviert mich extrem, noch härter zu arbeiten, um die schönen Momente auf dem Spielfeld bald wieder erleben zu können.»
Hinweis
Wir werden Leonie auf ihrem Weg zurück in den Leistungssport weiter begleiten und in regelmässigen Abständen über die Entwicklungen ihres Comebacks berichten.