Im Fokus
«Plötzlich schrie mein Trainer am Streckenrand wie wahnsinnig»
Bild: Christian Aebersold
In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir einmal im Monat einen Sportler oder eine Sportlerin aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt hat. Diesmal ist es Orientierungsläuferin Eline Gemperle aus Boniswil.
Den Sonntag, 7. Juli 2019 wird Eline Gemperle nicht so schnell vergessen. An diesem Tag stand nämlich der Sprint-Wettkampf an der Junioren WM in Lyseng (Dänemark) auf dem Programm. Für die 19-Jährige aus Boniswil war dies der erste Einsatz überhaupt an einer Weltmeisterschaft. Entsprechend nervös war sie vor dem Start. Unterwegs unterliefen ihr dann auch ein paar kleine Fehler. «Ich hatte daher kein ausserordentlich gutes Gefühl während des Laufs», blickt sie zurück. «Kurz vor dem Ziel hörte ich aber plötzlich meinen Trainer am Streckenrand wie wahnsinnig schreien und der Speaker rief aus, dass ich auf Rang zwei liege. Das gab mir noch einmal einen Extrakick.»
Dank einem fulminanten Finish übernahm Eline Gemperle die Führung. Und behielt diese bis zum Schluss. Mit drei Sekunden Vorsprung sicherte sie sich damit die Goldmedaille und darf sich ab sofort Junioren Weltmeisterin nennen. Es ist ihr mit Abstand grösster Erfolg. Und ein Erfolg, mit dem sie selber nicht gerechnet hatte. «Ich hatte insgeheim auf ein Diplom gehofft. Aber das Podest oder gar der Titel waren nie ein Thema für mich. Erst beim Empfang am Flughafen habe ich so richtig realisiert, dass ich etwas Grosses geschafft habe. Das war ein ganz besonderer Moment», so Gemperle.
«Ich hatte insgeheim auf ein Diplom gehofft. Aber das Podest oder gar der Titel waren nie ein Thema für mich.»
OL – was denn sonst?
Dass Eline Gemperle dereinst zum OL-Sport finden würde, ist keine grosse Überraschung. Ihre Mutter war selber OL-Eliteläuferin und ihr Vater betreute als Trainer unter anderem die Schweizer Nationalmannschaft. Entsprechend war «Orientierungslauf» das zentrale Thema bei der Familie Gemperle. «Weil wir so oft und so viel darüber gesprochen haben, hatte ich am Anfang gar nicht so Lust, selber zu laufen», erinnert sich Eline Gemperle. «Ich bin dann aber trotzdem reingewachsen.»
So richtig gepackt hat es sie erst im Alter von rund 14 Jahren. Dann nämlich durfte sie im Aargauer Regionalkader mittrainieren. Und die Erfolge liessen nicht lange auf sich warten. 2016 erreichte sie bei den Ausscheidungen für die internationalen Junioren-Wettkämpfe im Sprint den zweiten Rang. Ein «Aha»-Erlebnis für Gemperle. «Da habe ich gemerkt, dass ich im OL wirklich etwas erreichen kann.»
Eine coole Kombination
Seither trainiert die 19-Jährige, die derzeit die Neue Kantonsschule in Aarau besucht und diese im nächsten Jahr abschliessen wird, auch intensiver. Acht bis neuen Stunden Training stehen pro Woche auf dem Programm. Dazu kommen die Wettkämpfe an den Wochenenden. Zwei Mal trainiert sie mit dem Aargauer Regionalkader. Die anderen Einheiten spult sie in Eigenregie ab. Meistens Lauftrainings, dazu Krafteinheiten und zum Ausgleich gehts aufs Velo.
Der Sprint ist die Spezialdisziplin von Eline Gemperle. «Mir gefällt die Kombination aus Geschwindigkeit und Taktik. Ich kann so schnell laufen wie bei einem Strassenlauf, aber es braucht auch Köpfchen. Ich muss die Karte lesen, die richtige Entscheidung treffen und auch taktisch gut laufen. Das ist eine coole Kombination», sagt Gemperle, die sich durchaus vorstellen kann, sich künftig ausschliesslich auf die Sprint-Disziplin zu konzentrieren. Bis zum Ende ihrer Juniorenlaufbahn in eineinhalb Jahren wird sie aber auch noch regelmässig Wettkämpfe im Wald laufen. Dass mit ihr aber vor allem an den Sprintwettkämpfen zu rechnen ist, hat sie mit dem Junioren Weltmeistertitel eindrücklich bewiesen.
Bilder: Christian Aebersold
Hinweis
In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir einmal im Monat einen Sportler oder eine Sportlerin aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt hat. Alle bisherigen Portraits findest du hier.