Über den Tellerrand
«Es braucht ganz viel Disziplin und noch mehr Leidenschaft»
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In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal haben wir uns mit Cristiana Fiacco übers Eiskunstlaufen unterhalten.
Die Schweiz hat in der Vergangenheit gleich mehrere Ausnahmetalente im Eiskunstlauf hervorgebracht. Denise Biellmann, Stéphane Lambiel und Sarah Meier gehörten allesamt zur absoluten Weltspitze, gewannen Medaillen an internationalen Grossanlässen und standen im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Doch das ist in keinster Weise repräsentativ für den Alltag in der hiesigen Eiskunstlaufszene.
Wer zu nationalen Spitze gehören will, der trainiert rund 20 Stunden pro Woche. Die meiste Zeit auf dem Eis, dazu kommen Einheiten im Kraftraum und Ballettstunden. Geld gibt es jedoch keines zu verdienen. Im Gegenteil: Wer so viel trainiert, der bezahlt schnell weit über 1000 Franken pro Monat für Material, Trainer, Eismiete, Clubbeiträge und Anfahrtswege. «Wer im Eiskunstlauf Erfolg haben will, braucht ganz viel Disziplin und noch mehr Leidenschaft», sagt denn auch Cristiana Fiacco.
Eine Lebensschule
Sie weiss wovon sie spricht. Cristiana Fiacco war in jungen Jahren selber ambitionierte Eiskunstläuferin, trainierte bis zu sechs Mal pro Woche und erreichte an den Schweizer Meisterschaften einmal einen sechsten Rang. Seit mittlerweile 16 Jahren arbeitet sie als Eiskunstlauf-Trainerin in Reinach und gibt ihre Leidenschaft und ihr Wissen an talentierte Nachwuchsathletinnen und -athleten weiter. «Das Eiskunstlaufen war für mich eine Lebensschule. Das will ich unbedingt weitergeben», sagt Fiacco, die knapp 20 Stunden pro Woche auf dem Eis steht.
«Wir Aargauer müssen uns im schweizweiten Vergleich nicht verstecken, auch wenn wir sicher nicht zu den Top Regionen gehören.»
Technik und Ästhetik
Wer im Eiskunstlaufen den Anschluss an die nationale Spitze schaffen will, der muss früh beginnen. Spätestens mit sechs Jahren. Ansonsten fehlt schlicht die Zeit, um die vielen Elemente des Sports sauber zu erlernen und zu perfektionieren. Sprünge, Pirouetten und Schrittfolgen sind die Hauptbestandteile des Eiskunstlaufens. Hinzu kommen die künstlerischen und ästhetischen Elemente.
Auch in die Bewertung der Wettkampfleistungen fliessen diese beiden Komponenten mit ein. Es gibt eine technische Punktzahl, bei der die 10-köpfige Jury die Sprünge, Pirouetten und Schrittfolgen bewertet. Und es gibt eine künstlerische Punktzahl, in die alle anderen Bestandteile der Darbietung einfliessen. Jeder Wettkampf am Stufe Schweizer Meisterschaft setzt sich aus einem Kurzprogramm und einer Kür zusammen. Am ersten Wettkampftag wird jeweils das Kurzprogramm gelaufen. Dieses dauert maximal 2:50 Minuten und die Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer müssen vorgegebene Elemente zeigen. In der Kür geniessen die Athleten dann etwas mehr Freiheiten und haben auch mehr Zeit, ihr Können unter Beweis zu stellen (max. 4:30 Minuten). Die Kür findet nicht direkt nach dem Kurzprogramm statt, sondern erst am nächsten oder gar übernächsten Tag. Entsprechend dauern die Wettkämpfe immer zwei oder drei Tage. Der Zeitaufwand ist also nicht nur im Training gross, sondern auch bei den Wettkämpfen.
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Kein ganzjähriges Eisfeld im Aargau
Im Kanton Aargau gibt es fünf Eiskunstlaufvereine: Aarau, Wettingen, Wohlen, Reinach und Rheinfelden. Dort trainieren insgesamt knapp 600 Personen. Die Hobbyläufer und die Teilnehmenden der Kinderkurse eingerechnet. Etwas mehr als ein Drittel davon läuft auch regelmässig Wettkämpfe. Doch nur die wenigsten trainieren das ganze Jahr auf dem Eis. Denn im Aargau gibt es keine Eisbahn, die das ganze Jahr über geöffnet hat.
Wer also aus dem Aargau kommt und das ganze Jahr über auf dem Eis trainieren will, der muss weite Wege auf sich nehmen. Die Aargauer Vereine trainieren in den Sommermonaten entweder in Luzern oder in Dübendorf. «Das ist natürlich ein grosser Aufwand – insbesondere für die Eltern, die ihre Kinder mehrmals pro Woche ins Training fahren», sagt Cristiana Fiacco. «Es wäre schön, wenn wir auch im Sommer im Aargau trainieren könnten. Aber es ist verständlich, dass keine Eisbahn durchgehend den Betrieb aufrechterhält, wenn wir im Sommer das Eisfeld nicht auslasten können.»
Der Aargau muss sich nicht verstecken
Trotzdem gibt es immer wieder Aargauer Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer, die mit der nationalen Spitze mithalten können. Aktuell sind es vor allem zwei Nachwuchstalente aus Wettingen und Aarau, die in der Nachwuchskategorie zu den Top 10 oder gar Top 5 zählen. «Wir Aargauer müssen uns im schweizweiten Vergleich nicht verstecken, auch wenn wir sicher nicht zu den Top Regionen wie dem Tessin, der Romandie oder Zürich gehören», so Cristiana Fiacco.
Das sind die Aargauer Eiskunstlaufvereine:
Impressionen aus dem Eiskunstlauf-Training
Hinweis
Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.