Im Fokus

Drei Starts, zwei Mal EM-Gold – so erlebte Matthias Kyburz die Heim-EM

von Fabio Baranzini – 17. Mai 2021

Der Aargauer Orientierungsläufer Matthias Kyburz in Aktion jubelt beim Zieleinlauf über EM-Gold

Bild: swiss-image.ch / Remy Steinegger

In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir Sportlerinnen und Sportler aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt haben. Diesmal ist es Orientierungsläufer Matthias Kyburz, der an der EM zwei Goldmedaillen gewonnen hat – obwohl er sich ein paar Wochen zuvor mit dem Coronavirus infiziert hatte.

Matthias Kyburz war aus Schweizer Sicht die grosse Figur an der Heim EM in Neuchâtel. Bei drei Starts krönte er sich zwei Mal zum Europameister. Zuerst in der Staffel und dann auch noch im erstmals an einer EM ausgetragenen Knock-Out Sprint. Einzig im abschliessenden Einzelsprint gabs für Kyburz, der als Titelverteidiger gestartet war, keine Medaille. Dort klassierte er sich auf Rang 11. «Natürlich bin ich etwas enttäuscht über meine Leistung im Einzelsprint, wo mir ein grosser Fehler bei der Routenwahl unterlaufen ist. Aber zwei Mal Gold zu gewinnen, ist genial. Das hätte ich vor der EM sofort unterschrieben», so der 30-Jährige aus Möhlin.

Spezieller Zieleinlauf

Dieser doppelte EM-Titel ist eine besondere Leistung. Und das gleich aus zwei Gründen. Einerseits weil Kyburz und co seit Herbst 2019 – damals fand das Weltcupfinale in China statt – coronabedingt keine internationalen Wettkämpfe mehr bestritten hatten. Entsprechend fehlte der Wettkampfrhythmus fast komplett. Und andererseits, weil sich Kyburz Anfang April im Trainingslager in Frankreich mit dem Coronavirus infiziert hatte. «Ich hatte glücklicherweise kaum Symptome. In anderen Jahren hätte ich einfach normal weitertrainiert. Jetzt habe ich mich zehn Tage lang zu Hause isoliert und danach das Training wieder aufgenommen. Das war im Hinblick auf die EM natürlich nicht ganz optimal», erzählt Kyburz.

«Wir wussten zwar, dass wir eine super Leistung gezeigt hatten, aber irgendwie fehlten die Emotionen beim Zieleinlauf komplett.»

Matthias Kyburz, Doppel Europameister an der OL-EM in Neuenburg

Davon war in Neuenburg allerdings nicht zu bemerken. Bereits im ersten Wettkampf – dem Teamsprint – lieferte Matthias Kyburz eine klasse Darbietung. Genau wie das ganze Team. «Wir zeigten alle vier eine sensationelle Leistung und distanzierten Schweden um eine Minute», schildert Kyburz. Trotzdem war der Zieleinlauf gewöhnungsbedürftig. «Das Ziel befand sich im Fussballstadion in Neuenburg. Wir waren völlig alleine dort. Wir wussten zwar, dass wir eine super Leistung gezeigt hatten, aber irgendwie fehlten die Emotionen beim Zieleinlauf komplett», beschreibt Kyburz die ungewöhnliche Situation.

Taktische Meisterleistung beim letzten Posten

Im Knock-Out Sprint kamen die Emotionen bei Matthias Kyburz dann aber wieder zurück. Gleich zu Beginn des Wettkampfs erlebte er eine Schrecksekunde. Im Viertelfinal lief er den falschen Posten an, musste wenden und verlor so rund 15 Sekunden. Eine halbe Ewigkeit gemessen an der Gesamtlaufdauer von rund sieben Minuten. Doch Kyburz spielte seine ganze Klasse aus, machte den Rückstand in der Schlussphase wett und qualifizierte sich später souverän fürs Finale. Dort lieferte er sich mit seinen fünf Kontrahenten ein packendes Kopf-an-Kopf-Rennen in den verwinkelten Gassen der Neuenburger Altstadt.

Der Aargauer Orientierungsläufer Matthias Kyburz in Aktion im Knock-Out Sprint

Bild: swiss-image.ch / Remy Steinegger

Erst auf dem Weg zum allerletzten Posten machte Kyburz den Unterschied und überholte seinen Landsmann Joey Hadorn. «Ich habe auf der Karte gesehen, dass es zwei Routen gibt zum letzten Posten. Ich habe mich bewusst für die Route entschieden, von der ich glaubte, sie sei kürzer – obwohl ich dafür fast komplett abbremsen und eine 90-Grad-Wende machen musste. Das war ein Risiko, aber es hat sich zum Glück ausbezahlt», sagt Kyburz, der sich dank dieser taktischen Meisterleistung zum ersten Knock-Out Europameister der OL-Geschichte küren lassen konnte.  

Fokus liegt auf der WM

Dank den starken Leistungen an der EM in Neuenburg hat sich Matthias Kyburz an die Spitze des Weltcups-Gesamtklassements gesetzt. Und das bedeutet, dass er an der Weltmeisterschaft in Tschechien im Juli einen Fixstartplatz für die Sprint-, Mittel- und Langdistanz hat. «Das ist natürlich das Sahnehäubchen dieser EM», freut sich Kyburz, der an der WM in Tschechien Grosses vorhat. Dort will sich endlich die noch fehlende Langdistanz WM-Medaille sichern und damit seine äusserst beeindruckende Medaillensammlung an Grossanlässen komplettieren.

Sollte ihm das gelingen, wäre dies auch eine Belohnung für seinen Durchhaltewillen in einem aus sportlicher Sicht schwierigen Jahr 2020. Ein Jahr, in dem er kaum Wettkämpfe absolviert konnte und zudem mit einer hartnäckigen Viruserkrankung zu kämpfen hatte. Diese setzte ihn im vergangenen Sommer während zehn Tagen mit hohem Fieber komplett ausser Gefecht. «Das hat ziemlich auf meine Motivation gedrückt, denn nach der Erkrankung stimmte auch meine Form nicht mehr», blickt Kyburz zurück. Erst gegen Ende Jahr, als das Wintertraining anstand, kehrte die Motivation zurück. «Damals zeichnete sich ab, dass es in diesem Jahr wohl internationale Wettkämpfe geben wird», sagt Kyburz. Und vielleicht hat ihn ja auch sein persönliches Highlight 2020 beflügelt: Matthias Kyburz hat im Oktober Sarina Jenzer – ebenfalls eine Weltklasse OL-Läuferin aus dem Schweizer Nationalteam – geheiratet.

Der Aargauer Orientierungsläufer Matthias Kyburz freut sich über die EM-Goldmedaille

Bild: swiss-image.ch / Remy Steinegger

Hinweis

In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir einmal im Monat einen Sportler oder eine Sportlerin aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt hat. Alle bisherigen Portraits findest du hier.