Über den Tellerrand

«Ich wurde anfangs schon etwas schräg angeschaut»

von Fabio Baranzini – 19. Oktober 2021

Wasserfahrerin und Fussballerin – Fabienne Kohler

Bild: Fabio Baranzini

Fabienne Kohler (29) aus Hunzenschwil ist Schweizer Meisterin in zwei Sportarten. 2012 holte sie als Torhüterin mit den FC Zürich Frauen den Pokal und neun Jahre später gewinnt sie den Titel als beste Wasserfahrerin der Schweiz. Wir sprechen mit ihr über die beiden Karrieren und stellen Wasserfahren genauer vor.  

Fussball war die erste grosse Leidenschaft von Fabienne Kohler. Obwohl ihr Vater Wasserfahrer war und seine Tochter immer mal wieder mit aufs Schiff nahm, konnte sie sich nicht für den Männer dominierten Sport mit Weidling, Ruder und Stachel begeistern. «Mich brachte niemand aufs Wasser, wenn ich parallel dazu die Chance hatte, Fussball zu spielen», erinnert sich Fabienne Kohler.

Und so setzte die Hunzenschwilerin auf die Karte Fussball. Sie lancierte ihre Karriere bei den Frauen des FC Baden, wechselte dann mit 17 in die Nationalliga A zum FFC Zuchwil 05 und spielte nach zwei Jahren für die FC Zürich Frauen, die damals die unangefochtene Nummer eins in der Schweiz waren.

«Mich brachte niemand aufs Wasser, wenn ich parallel dazu die Chance hatte, Fussball zu spielen.»

Fabienne Kohler, Schweizer Meisterin im Wasserfahren

Belastung wurde zu gross

Die Saison 2011/12 war die erfolgreichste in der Fussballkarriere von Fabienne Kohler. Als Ersatztorhüterin wurde sie mit den FC Zürich Frauen Schweizer Meisterin, Cupsiegerin und spielte in den 1/16-Finals der Champions League. «Das war eine wirklich tolle Saison mit unvergesslichen Erlebnissen», blickt Kohler zurück. In Aarau schrieb sie dann ein weiteres Kapitel ihrer Fussballkarriere. Mit den FC Aarau Frauen schaffte sie 2016 den Aufstieg in die Nationalliga A.

Bild: Fabio Baranzini

Im Jahr darauf beendete sie dann aber ihre Aktivkarriere. Einerseits war die Doppelbelastung mit sechs Trainings pro Woche plus Physiotherapie-Studium in Winterthur zu gross. Und andererseits stimmte die Chemie mit dem damaligen Trainer nicht. «Ich verlor den Spass am Fussball und entschied mich darum, meine Aktivkarriere zu beenden», so Kohler. Dem Fussball blieb sie trotzdem treu: Als Aushilfstorhüterin der zweiten Mannschaft in Aarau spielte sie bis im letzten Jahr und aktuell ist sie Goalietrainerin bei den Jungs des Team Aargau Footeco.

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Begeisterung fürs Wasserfahren entdeckt

Aus sportlicher Sicht gilt ihr Fokus nun aber dem Wasserfahren. Was nämlich der Vater nicht geschafft hat, schaffte ihr Freund. Er weckte ihre Begeisterung fürs Wasserfahren. Und so trainiert sie seit einigen Jahren zwei bis drei Mal pro Woche auf dem Wasser. «Nach meiner Fussballkarriere hatte ich plötzlich sehr viel Zeit, weil die sechs Trainings pro Woche wegfielen. Also musste ich mir etwas Neues suchen», sagt Kohler, die sich selbst als «Energiebündel» bezeichnet. Der Einsatz hat sich gelohnt. Seit wenigen Wochen ist sie als Schweizer Meisterin der Aktiven offiziell die stärkste Wasserfahrerin der Schweiz.

Wasserfahrerin Fabienne Kohler in Aktion

Bild: Wasserfahrverein Rupperswil

Es wird gerudert und gestachelt

Wer also kann uns die Sportart Wasserfahren besser erklären als Fabienne Kohler? Bitteschön! Beginnen wir mit den Basics. «Unser Schiff wird Weidling genannt, ist meistens aus Polyester, rund 350 Kilogramm schwer und circa zehn Meter lang», erklärt Fabienne Kohler. «In unserem Sport gibt es zwei Techniken: Rudern und Stacheln.» Gerudert wird jeweils flussabwärts, gestachelt gegen die Strömung entlang des Ufers flussaufwärts.

«Gerudert wird gleich, wie man sich das klassischerweise vorstellt – mit dem einzigen Unterschied, dass wir im Vergleich zu den klassischen Ruderern vorwärts und nicht rückwärtsfahren. Wir sehen also immer, wo wir hinrudern», sagt Fabienne Kohler. Beim Stacheln stossen die Wasserfahrerinnen und Wasserfahrer sich am Grund des Flusses ab und manövrieren den Weidling so dem Ufer entlang flussaufwärts. Fürs Rudern wird – sinnigerweise – ein Ruder verwendet, fürs Stacheln ein Stachel (siehe Bild oben).

Videobeitrag: So funktioniert Wasserfahren 

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Diese Hindernisse gilt es zu überwinden

So viel zu Material und Grundtechnik. Doch wie funktioniert denn nun ein Wettkampf? «Bei jedem Wettkampf müssen die Teilnehmenden einen Parkour zurücklegen, der vom Organisator vorbereitet wird», sagt Kohler. Dabei gibt es folgende Hindernisse:

  • Eine Ausfahrt: Am Ende einer «Stachel-Passage» befindet sich eine Boje. Diese muss mit dem Stachel umfahren werden. Sobald dies geschafft ist, wird vom Stachel zum Ruder gewechselt und es geht weiter flussabwärts.
  • Eine Durchfahrt: Eine Durchfahrt kann entweder zwischen zwei Bojen erfolgen oder zwischen zwei «Bängeln». Das sind zwei herunterhängende Stangen im Abstand von rund vier Metern, die ohne zu berühren passiert werden müssen.
  • Eine Landung: Am Ufer ist ein vier Meter langer Bereich markiert, den die Wasserfahrer rudernd erreichen müssen. In diesem Landungsbereich findet der Wechsel zum «Stacheln» statt.

Bei jedem Hindernis gibt’s Strafsekunden, wenn es nicht korrekt passiert wird. Wer die Strecke gar abkürzt, wird disqualifiziert.

Wasserfahrerin Fabienne Kohler in Aktion

Bild: Wasserfahrverein Rupperswil

Frauen sind im Aufwind

Wasserfahren hat eine lange Tradition in der Schweiz und wird vorwiegend von Männern betrieben. Frauenkategorien gibt es erst seit wenigen Jahren. «Ich wurde anfangs schon etwas schräg angeschaut, dass ich als Frau an den Wettfahrten teilnehme», sagt denn auch Fabienne Kohler. «Aber mittlerweile gibt es immer mehr Frauen, die auch gezielt gefördert werden – so wie wir das bei uns im Verein in Rupperswil tun.»

Der Wasserfahrverein Rupperswil ist einer von insgesamt sieben Aargauer Vereinen (siehe Box unten). Damit gehört der Kanton Aargau nach Basel zu den aktivsten Wasserfahr-Kantonen der Schweiz. Gefahren wird dabei in verschiedenen Alterskategorien – Schüler (bis 14), Jungfahrer (bis 17), Junioren (bis 20), Aktive, Senioren (ab 40) und Veteranen (ab 50). In allen Kategorien gibt es die Möglichkeit, alleine zu fahren oder als Paar.

Wasserfahrerin Fabienne Kohler in Aktion

Bild: Wasserfahrverein Rupperswil

Technik ist entscheidend

So weit so gut – eine Sache müssen wir in unserem «Wasserfahr-Crashkurs» aber noch klären: Welche Fähigkeiten sind denn nun entscheidend, um als Wasserfahrer oder Wasserfahrerin erfolgreich zu sein? «Das Wichtigste ist die korrekte Technik und die Fähigkeit, das Wasser lesen zu können. Kraft und Ausdauer kommen erst an zweiter Stelle», sagt Kohler. Und als Beweis dafür fügt sie an: «Wenn ich in einem Feld mit 100 Männern starte, kann ich – obwohl ich im Vergleich viel weniger Kraft und Ausdauer habe – dank meiner Technik eine Position um Rang 20 herausholen.»

Das sind die sieben Aargauer Wasserfahrvereine

Hinweis

Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.