Mein Weg nach Paris
«Am Anfang war die Limite für mich unvorstellbar»
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In unserer neuen Serie «Mein Weg nach Paris» erzählen wir die Geschichte von Aargauer Sportlerinnen und Sportlern, die sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifizieren wollen. Einer von ihnen ist Orientierungsläufer Matthias Kyburz, der sich auf die Marathon-Distanz wagt und so den Versuch unternimmt, sich in einer «neuen» Sportart für Paris zu qualifizieren.
«Das Thema Marathon ist nicht neu bei mir. Schon in der Saison 2011/12, als ich noch ganz am Anfang meiner OL-Karriere stand, meinte der Sportarzt von Swiss Orienteering, dass ich aufgrund meiner Puls- und Laktatwerte ein guter Marathonläufer sein könnte. Ich habe das Thema Marathon aber immer hinten dem OL angestellt und habe einfach hin und wieder ein paar Strassenläufe absolviert, wenns ins Programm gepasst hat.
Bild: Alexander Wagner
Konkret geworden ist das Thema Marathon dann Ende 2023. Nach der erfolgreichen Heim WM in Flims Laax im letzten Sommer habe ich bei der Saisonplanung für das Jahr 2024 gemerkt, dass ich einen neuen Reiz brauche – etwas, das mich wieder richtig motiviert. Ich habe dann für mich entschieden, dass ich in diesem Jahr gerne meinen ersten Marathon laufen möchte und habe das dann auch meinen OL-Kollegen erzählt. So hat sich das schnell herumgesprochen, was zur Folge hatte, dass mein Kollege Stefan Lombriser, der bei der Plattform running.coach arbeitet, auf mich zugekommen ist. Er meinte, ich könne doch einen Marathon nicht einfach nur so zum Spass laufen, sondern ich müsse das ambitionierter angehen. Er stellte mir dann auch Viktor Röthlin als Coach zur Verfügung und der war sofort begeistert von der Idee, mich auf meinen ersten Marathon vorzubereiten.
«Wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Chancen zu Beginn des Projekts vielleicht auf ein Prozent geschätzt.»
So wurde das Projekt viel grösser und professioneller, als ich das eigentlich gedacht hatte. Und plötzlich stand auch die Olympia Qualifikation zur Debatte. Ich muss zugeben, dass das für mich am Anfang absolut unvorstellbar war. Erst zwei Schweizer Läufer haben die erforderliche Zeit von 2:08:10 schon einmal geknackt und jetzt soll der Kyburz das mit vier Monaten Vorbereitung im ersten Anlauf schaffen? Klingt schon verrückt. Wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Chancen zu Beginn des Projekts vielleicht auf ein Prozent geschätzt. Mittlerweile muss ich jedoch sagen, dass die Limite für mich viel realistischer geworden ist. Meine Leistungstests sind vielversprechend und auch die Trainingsleistungen stimmen. Aktuell würde ich sagen, dass ich die Chancen etwa 50:50 sehe. Ich glaube also, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
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Im Moment laufe ich etwa 10 bis 12 Stunden pro Woche und absolviere dabei bis zu 190 Kilometer. Was die reine Laufzeit angeht, ist das praktisch identisch wie zuvor als OL-Läufer. Der grosse Unterschied ist aber, dass ich damals nur etwa 130 Kilometer gelaufen bin, das meiste davon im Wald oder Querfeldein und mit 3000 bis 4000 Höhenmetern. Jetzt laufe ich praktisch nur auf der Strasse und habe dadurch eine ganz andere Belastung. Deshalb investiere ich derzeit noch mehr Zeit ins Krafttraining. Rund vier Stunden sind es, die ich jede Woche dafür aufwende – vor allem für den Rumpf, um die vielen Schläge und die grössere Belastung besser kompensieren zu können.
Bild: zur Verfügung gestellt
Am 7. April steht mein erster Marathon in Paris auf dem Programm, der zugleich auch meine einzige Chance ist, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Wenn ich an das Rennen denke, verspüre ich eine grosse Nervosität und Anspannung. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es für mich extrem schwierig ist zu beurteilen, ob und wie ich meine guten Trainingsleistungen im Rennen zusammensetzen kann. Da ich noch nie einen Marathon gelaufen bin, fehlt mir hier die Erfahrung. Damit es dann auch tatsächlich klappt mit der Limite muss nicht nur die Vorbereitung stimmen, sondern auch am Renntag muss vieles zusammenkommen. Das Wetter muss passen, ich muss meine optimale Leistung abrufen können und im Idealfall erwische ich eine Gruppe, die eine ähnliche Zeit anpeilt wie ich. Sollte ich von Anfang an alleine laufen müssen, wird es unglaublich schwierig.
Bild: Alexander Wagner
Ich bin sehr gespannt, wie mein erster Marathon ablaufen wird und wie nah ich an die Limite rankomme. Ich merke auch, dass es innerhalb der OL- und auch der Leichtathletikszene viele interessiert, was ich mache. Ich schätze es sehr, dass mein Naticoach und auch der Elite Sportchef von Swiss Orienteering mich unterstützen. Ich glaube aber, dass sie insgeheim hoffen, dass ich die Limite nicht schaffe und so früher zum OL-Sport zurückkehre (lacht). So oder so ist für mich aber klar, dass ich spätestens nach den Olympischen Spielen zurück in den OL-Sport wechseln würde. Die WM nächstes Jahr in Finnland ist mein grosses Ziel. Natürlich reizen mich auch die Olympischen Spiele sehr. Aber Stand jetzt wird es bei diesem einen Versuch bleiben, mich zu qualifizieren. Ich habe als OL-Läufer schon viele grosse Multisport-Anlässe bestritten, die von der Dimension her mit Olympia vergleichbar sind – wenn auch mit viel kleinerer medialer Aufmerksamkeit. Meine Karriere ist für mich auch ohne Olympiateilnahme komplett.»
Hinweis
Mehr spannende Einblicke von Aargauer Sportlerinnen und Sportlern, die an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen wollen, findest du in unserer Serie «Mein Weg nach Paris».