Über den Tellerrand

Der Aargau, die heimliche Hochburg des Schweizer Bobsports

von Fabio Baranzini – 20. Februar 2020

Bobteam Hasler im Einsatz

Bild: Swiss Sliding

In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal widmen wir uns dem Bobsport, wo der Aargau seit vielen Jahren eine zentrale Rolle spielt.

Am vergangenen Wochenende hat die Aargauerin Melanie Hasler in Lettland ihren allerersten Weltcup als Bobpilotin bestritten. Dies nach starken Resultaten im Europacup, wo sie den dritten Gesamtrang belegt hat. Eine Aargauerin im Bobsport? Was auf den ersten Blick etwas untypisch erscheinen mag, kommt gar nicht so selten vor. Denn im Aargau gibt es neben Melanie Hasler gleich eine Handvoll weitere Bobfahrer, die schweizweit zu den Besten ihres Fachs gehören. Da wären beispielsweise die drei Fricktaler Marco und Roger Leimgruber und Sandro Michel. Aber auch Alain Knuser, Maruan Giumma und Mario Camelin gehören zur Gruppe von Aargauer Bobfahrern, die im Europa- oder Weltcup aktiv sind.

Starke Aargauer Bobfahrer – das ist kein neues Phänomen. In den 1990er Jahren, die mit zu den erfolgreichsten der Geschichte des Schweizer Bobsports gehören, stammten gleich mehrere prägende Figuren aus dem Aargau. Da wäre beispielsweise der Aarauer Christian Reich, der WM- und Olympiamedaillen gewonnen hat. Oder die Gebrüder Guido und Donat Acklin aus Herznach, die ebenfalls äusserst erfolgreiche Medaillensammler an internationalen Grossanlässen waren. Auch Daniel Schmid und Dominik Scherrer gehörten zu dieser erfolgreichen Generation. Später führten Martin Galliker und Rico Peter die Serie der starken Aargauer Bobpiloten fort. 

«Das Erfolgsgeheimnis ist, dass im Kanton Aargau die Leichtathletik und der Turnsport sehr eng miteinander verbunden und zudem weit verbreitet sind.»

Dominik Scherrer, ehemaliger Bobpilot und Nationaltrainer

Der Aargauer Erfolgsgeheimnis

Doch warum um alles in der Welt bringt der Aargau denn überhaupt so viele starke Bobfahrer hervor? Als Wintersportkanton ist der Aargau nun wahrlich nicht bekannt. Wir haben uns auf Spurensuche begeben und sind bei Dominik Scherrer gelandet. Der frühere Weltklasse-Steuermann aus dem Freiamt war nach seiner Aktivkarriere während mehreren Jahren Nationaltrainer und Sportchef beim Schweizer Bobverband. Bis vor zwei Jahren war er zudem als Nationaltrainer für die Britischen Bobfahrer zuständig. Wenn also einer weiss, was die Aargauer Bobfahrer so stark macht, dann er. 

Also Dominik, was ist das Aargauer Erfolgsgeheimnis im Bobsport? «Das Erfolgsgeheimnis ist, dass im Kanton Aargau die Leichtathletik und der Turnsport sehr eng miteinander verbunden und zudem weit verbreitet sind.» Das musst du uns genauer erklären. Was haben denn Leichtathletik und Turnen mit dem Bobsport zu tun? «Bobfahrer müssen einerseits explosiv und schnell sein, andererseits aber auch viel Kraft mitbringen und robust sein. Diese Kombination findet man sowohl in der Leichtathletik als auch beim Turnen. Und in beiden Sportarten ist der Aargau sehr stark. Entsprechend gibt es im Aargau sehr viele Talente für den Bobsport», erklärt Scherrer, der selber hin und wieder an Leichtathletikwettkämpfen und Turnfesten unterwegs ist, um potenzielle Bobfahrer zu finden. 

Die vier Fahrer des Bobteam Rohner

Bild: Swiss Sliding

Anschiebebahn in Oberentfelden

Prädestiniert dafür sind Sprinter, Weitspringer und Kugelstösser. Das zeigen auch die Beispiele einiger aktueller Aargauer Bobfahrer. Sandro Michel ist beispielsweise einer der besten Schweizer Kugelstösser. Maruan Giumma ist Weitspringer. Und auch der talentierte U23-Sprinter Joël Schübpach hat bereits erste Erfahrungen als Anschieber gesammelt. Doch auch wenn viele Bobfahrer ihre Wurzeln in der Leichtathletik haben, will Dominik Scherrer den Bobsport keinesfalls als Konkurrenz zur Leichtathletik verstanden haben. «Ich will niemanden von der Leichtathletik abbringen. Leichtathletik und Bobsport lassen sich hervorragend kombinieren. Gerade auch in den Trainings», so Scherrer. «Man kann im Sommer auf der Leichtathletikbahn mit einem Rollbob arbeiten. So trainiert man die Sprintfähigkeiten und zugleich auch die technischen Grundlagen fürs Bobfahren. So wird das beispielsweise bei SATUS Oberentfelden gemacht.»

Oberentfelden ist ein gutes Stichwort. Denn dort befindet sich auch eine Anschiebebahn für Bobfahrer. Diese gehört dem Verein «Bob Athletic Entfelden», der vom früheren Aargauer Spitzenpiloten Martin Galliker gegründet wurde. Diese Bahn wird auch heute noch aktiv genutzt, um zu trainieren. Es ist also wahrlich kein Zufall, dass der Aargau in der Vergangenheit und auch heute so viele starke Bobfahrer hervorgebracht hat. 

Das Bobteam Rohner in Aktion

Bild: Swiss Sliding

Hinweis

Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden,  findest du hier.