Digital Swiss 5

«Der Flüssigkeitsverlust während der Etappe war abartig»

von Fabio Baranzini – 28. April 2020

Silvan Dillier während des «Digital Swiss 5»

Bild: zur Verfügung gestellt

Letzte Woche gab es eine Premiere: Mit dem «Digital Swiss 5» ging das erste virtuelle Profi-Radrennen über die Bühne. Mit dabei war auch der Aargauer Radprofi Silvan Dillier. Wir haben uns mit ihm über diesen ganz besonderen Wettkampf unterhalten.

Das virtuelle Profi-Radrennen «Digital Swiss 5» ersetzte die wegen Corona abgesagte Tour de Suisse, die im Juni hätte stattfinden sollen. Fünf Etappen wurden dabei gefahren. Die Athleten absolvieren die Strecke jeweils zu Hause auf ihrem Rolltrainer und waren virtuell miteinander verbunden. Sie sahen auf einem Bildschirm, wo sich ihre Konkurrenten auf der Strecke befanden. Zudem simulierten ihre Rolltrainer jeweils den Widerstand der realen Topografie der Strecke. Wenn es also bergauf ging, dann wurde der Widerstand auf dem Rolltrainer grösser. 

Das Teilnehmerfeld an dieser ersten virtuellen Tour de Suisse war hochkarätig. 19 Teams stellten sich der Herausforderung, wobei jeweils 57 Fahrer pro Etappe angetreten sind. Mit dabei waren auch einige der stärksten Schweizer Athleten. Unter anderem sind Stefan Küng, Michael Albasini, Nino Schurter und Silvan Dillier angetreten. Wir haben nach dem Rennen mit dem 29-jährigen Aargauer aus Schneisingen gesprochen.

Silvan, du hast drei der fünf Etappen beim ersten virtuellen Profi-Radrennen «Digital Swiss 5» bestritten. Wie war es?
Für mich war es ein Experiment. Ich hatte noch überhaupt keine Erfahrung, wie man auf solchen Trainingsplattformen trainiert. Ich liess mich also überraschen. Dennoch war für mich von Anfang an klar, dass ich am «Digital Swiss 5» teilnehmen werde. Gerade in dieser schwierigen Zeit, in der die ganze Sportwelt lahmgelegt wurde, war das Rennen es eine tolle Chance, um sich und sein Team präsentieren zu können. 

Hast du dich spezifisch auf deine Einsätze vorbereitet?
Nein, nicht wirklich. Es gab zwei Tage vor meinem ersten Einsatz einen Testtag, an dem wir die Technik ausprobiert hatten. Ich wusste daher ungefähr, wie es sein würde. Aber das Rennen war dann noch einmal ganz anders. 

«Wenn das der moderne Profiradsport sein soll, muss ich mir nochmals überlegen, ob ich wirklich den richtigen Job habe.»

Silvan Dillier, Radprofi

Inwiefern?
Es war um einiges intensiver und härter, als ich das erwartet hatte. Die Etappen dauerten ja jeweils nur rund eine Stunde. Es war also eigentlich ein Zeitfahren, bei dem wir eine Stunde lang permanent am Limit gefahren sind und das in einem geschlossenen Raum. 

Wo hast du denn deine drei Einsätze absolviert?
Zuhause im Wohnzimmer. Im Keller, wo es kühler gewesen wäre, hatte ich keine Internetverbindung, und auf dem Balkon schien die Sonne zu stark. Also stellte ich meinen Rolltrainer im Wohnzimmer auf und platzierte einen Ventilator in der Nähe. Doch der brachte kaum Abkühlung. Der Flüssigkeitsverlust während der Etappe war abartig. In einer Stunde habe ich schätzungsweise drei bis vier Liter Wasser verloren. Sofort nach Rennbeginn lief der Schweiss nur so runter. Am Ende war ich bachnass, als wäre ich in einen Pool gesprungen. 

Wo siehst du die grössten Unterschiede im Vergleich zu einem normalen Rennen?
Wie bereits erwähnt, dauerten die Etappen bloss eine Stunde. Wir trainieren aber für Einsätze, die fünf bis sechs Stunden lang sind. Das ist etwas komplett anderes. Und weil auch das Windschattenfahren und die taktischen Elemente im virtuellen Rennen wegfallen, geht es von der ersten Sekunde an in vollem Tempo los. Keine einzige Umdrehung wird dir geschenkt. Das ist brutal hart. Eigentlich bist du schon nach 20 Minuten völlig am Anschlag und musst dann nochmals 40 Minuten durchziehen. 

Wenn man deine Ergebnisse anschaut, sieht man, dass du von Mal zu Mal besser geworden bist. Zuerst warst du 25., dann 18. und zum Schluss 6. War das Zufall oder hast in der kurzen Zeit Fortschritte machen können?
Ich habe mich tatsächlich besser an die Situation gewöhnt und ich habe auch ein paar Tricks herausgefunden. Zum Beispiel habe ich mehr Power auf den Sensor gebracht, wenn ich aus dem Sattel ging und im Wiegetritt gefahren bin. Das wäre im echten Leben natürlich nicht so, weil der Luftwiderstand dadurch viel grösser wird. Aber im virtuellen Rennen wird der nicht berücksichtigt. 

Kannst du dir vorstellen, weitere virtuelle Rennen zu fahren?
Ich fands eine gute Idee und es hat Spass gemacht. Wenn das aber der moderne Profiradsport sein soll, muss ich mir nochmals überlegen, ob ich wirklich den richtigen Job habe. (lacht)

 

Silvan Dillier während des «Digital Swiss 5»