Über den Tellerrand
«Dicke Oberarme bringen absolut gar nichts»
Bild: zur Verfügung gestellt
In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal widmen wir uns dem Steinstossen.
Steinstossen hat in der Schweiz eine lange Tradition. Die etwas urchig anmutende Sportart ist – ähnlich wie der Schwingsport – eine schweizerische Eigenheit. Es gibt zwar auch in Deutschland die Disziplin «Steinstossen» als Bestandteil des «Rasenkraftsports». Dort wird aber kein Stein gestossen, sondern ein Eisenklotz. Und auch bei den «Highland-Games», die ihren Ursprung in Schottland haben, ist Steinstossen eine Disziplin unter vielen. Die Schweiz ist jedoch das einzige Land, in dem eigenständige Steinstoss-Wettkämpfe durchgeführt werden.
Zwar üben auch hierzulande viele Steinstösser und Steinstösserinnen diese Disziplin aus, weil sie zum dreiteiligen Vereinswettkampf der Turner gehört. Doch es gibt über die ganze Schweiz verteilt Steinstoss-Spezialistinnen und -Spezialisten, die an reinen Steinstoss-Wettkämpfen teilnehmen. Diese finden grösstenteils im Rahmen von Schwingfesten statt. Steinstossen ist in der Schweiz vor allem in der Innerschweiz, in Bern und im Kanton Aargau – speziell im Fricktal – weit verbreitet.
«Steinstossen ist im Grundsatz eine Kombination aus Weitsprung und Kugelstossen.»
Kombination aus Weitsprung und Kugelstossen
So weit so gut. Doch jetzt wollen wir wissen, wie denn das Steinstossen funktioniert. Und wer könnte uns das besser erklären als Simon Hunziker aus Herznach. «Hunzi grausam», wie er in der Szene genannt wird, bestreitet seit 20 Jahren Steinstoss-Wettkämpfe. In dieser Zeit hat er nicht weniger als 16 Schweizer Meistertitel gewonnen und ist Schweizer Rekordhalter mit dem 18kg-Stein und dem 40kg-Stein. Der frühere Zehnkämpfer und langjährige Handballer ist zudem einer der wenigen, der sowohl mit den leichten Steinen (ab 12,5kg) als auch mit den ganz schweren Steinen (beispielsweise dem Unspunnenstein, 83,5kg) zu den Besten gehört. Simon Hunziker weiss also ganz genau, worauf es beim Steinstossen ankommt.
«Der Rumpf und die Beine sind entscheidend. Die Stabilität in diesen Bereichen ist das Wichtigste. Dicke Oberarme bringen dagegen absolut gar nichts», erklärt Simon Hunziker und führt weiter aus: «Steinstossen ist im Grundsatz eine Kombination aus Weitsprung und Kugelstossen. Der Anlauf ist fast identisch wie beim Weitsprung, das Stossen des Steins hat dann zumindest Ähnlichkeiten mit dem Kugelstossen. Wer also diese beiden Diszipline beherrscht, hat gute Voraussetzungen.»
Das Steinstoss-Finale am Eidgenössischen in Zug
Die Tücken des Anlaufs
Schnell anlaufen und dann stossen. Das klingt eigentlich ziemlich einfach. In der Praxis sieht das dann aber ganz anders aus. Insbesondere das Anlaufen ist eine heikle Angelegenheit. «Das Wichtigste ist, dass man geradeaus rennen kann. Aber daran scheitern schon viele», sagt Simon Hunziker lachend. «Wer noch nie Laufschule trainiert oder einen normalen Hürdenlauf absolviert hat, dem fällt geradeaus rennen schwer. Und je schwerer der Stein ist, der gestossen wird, desto schwieriger wird das Anlaufen.» Es braucht mehrere Jahre, um die Technik im Steinstossen zu perfektionieren. Selbst wenn man wie Simon Hunziker rund acht Stunden pro Woche trainiert.
Gewicht, Technik und Anlauf sind unterschiedlich
Im Steinstossen gibt es verschiedene Kategorien. Diese unterscheiden sich in erster Linie durch das Gewicht. Bei den offiziellen Steinstoss-Meisterschaften gibt es in die Gewichtsklassen 12,5kg, 18kg und 40kg bei den Männern, sowie 6kg und 12,5kg bei den Frauen. Die Steine werden dabei immer mit Anlauf gestossen, wobei der maximale Anlauf 25 Meter beträgt. Der Stoss erfolgt jeweils einhändig. Mit Ausnahme der 40kg-Kategorie der Männer. Dort darf mit beiden Händen gestossen werden.
Bei den Schwingfesten gelten dann aber andere Regeln. «Jedes Schwingfest hat beim Steinstossen seine eigenen Vorschriften. Die Gewichte der Steine können dabei stark variieren. Es gibt jedoch immer eine leichtere Kategorie um 20kg herum und eine schwerere. Dort liegt das Gewicht irgendwo zwischen 48kg und 90kg», erklärt Hunziker. Auch die Länge des Anlaufs ist bei allen Schwingfesten anders. Und es gibt sogar Feste, an denen das Steinstossen aus dem Stand erfolgt und nicht mit Anlauf. Wer ein erfolgreicher Steinstösser sein will, muss sich also an verschiedenste Situationen anpassen können.
Bild: zur Verfügung gestellt
Hinweis
Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.