World Wide Aargau

«Die Preisgelder im Judo sind nicht zu vergleichen mit anderen Sportarten»

von Fabio Baranzini – 22. Juli 2022

Der Aargauer Judoka Daniel Eich in Aktion

Bild: Paco Lozano

Der 22-jährige Daniel Eich aus Gebenstorf gehört zu den weltbesten Judokas in der Gewichtsklasse bis 100kg. In unserer Serie «World Wide Aargau» erzählt er, wie er sein Leben als Profi-Judoka organisiert und warum er noch immer in einem kleinen Pensum als Chemielaborant arbeitet.

Daniel Eich zu erreichen, war in diesen Tagen gar nicht so einfach. Der erste Versuch scheiterte daran, dass der Flug nach Zagreb Verspätung hatte und anschliessend im Hotel kein Internet zur Verfügung stand. Nächster Versuch vier Tage später. Diesmal klappts mit einer Verspätung von gut einer Stunde. Eich ist mittlerweile in Potsdam angekommen, wo ein Trainingslager auf dem Programm steht.

Daniel, bist du immer so viel unterwegs wie in diesen Tagen?
Nein, das war jetzt schon grad aussergewöhnlich. Vor allem war ich in der Woche vor dem Wettkampf in Zagreb noch in Budapest, wo ich ein Grand Slam Turnier bestritten habe. Ich war in den letzten Wochen also wirklich nur selten Zuhause in Gebenstorf.

Der Aargauer Judoka Daniel Eich in Aktion

Bild: Paco Lozano

Wenn du deine gesamte Saison anschaust – wie viel Zeit verbringst du da fürs Judo im Ausland?
Ich bestreite pro Saison etwa fünfzehn Turniere. Da ich in der Kategorie bis 100kg antrete, kämpfe ich jeweils am letzten Turniertag – also meistens sonntags. Ich reise entsprechend jeweils am Freitag an und am Montag gehts dann zurück in die Schweiz. Pro Turnier bin ich also drei bis vier Tage unterwegs. Hinzukommen rund 20 Wochen Trainingslager, die wir praktisch immer im Ausland absolvieren.

Warum finden die Trainingslager immer im Ausland statt?
Wir wollen mit den besten Kämpferinnen und Kämpfer der Welt trainieren, damit wir uns verbessern können. Entsprechend müssen wir ins Ausland. Es gibt beispielsweise Camps, die der Weltverband oder der Europäische Verband organisieren. Da kommen dann 500 bis 1000 Athletinnen und Athleten an denselben Ort und trainieren miteinander. Andere Trainingslager sind deutlich kleiner. Aktuell in Potsdam trainieren wir beispielsweise einfach mit den Deutschen Judokas.

«Finanziell wäre es nicht zwingend nötig, dass ich arbeite.»

Daniel Eich, Judoka

Wenn ich das grob überschlage, verbringst du mehr als die Hälfte des Jahres im Ausland. Wie löst du das bezüglich der Organisation der Reisen? Ich stelle mir das ziemlich zeitintensiv vor.
Ich habe das Glück, dass ich im Grand Slam Kader von Swiss Judo bin. Das heisst, dass der Schweizer Verband sowohl die Organisation als auch die Kosten aller Trainingslager und Reisen für Trainings und Turniere übernimmt. Sie stellen auch immer einen Trainer. Das hilft mir natürlich enorm.

Bei unserem letzten Gespräch im November 2020 – damals hattest du Bronze an der U21 EM gewonnen – hast du mir erzählt, dass du neben dem Judo 50 Prozent als Chemielaborant arbeitest. Das liegt jetzt wohl nicht mehr drin oder?
Richtig, aber ich arbeite immer noch im selben Unternehmen als Chemielaborant. Mittlerweile aber nicht mehr in einem 50 Prozent Pensum. Ich bin jetzt im Stundenlohn angestellt und arbeite vielleicht 30 oder 35 Stunden pro Monat.

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Machst du das aus finanziellen Gründen, um deine Sportkarriere finanzieren zu können?
Nein, finanziell wäre es nicht zwingend nötig, dass ich arbeite. Der Verband übernimmt praktisch alle Kosten und ich wohne Zuhause bei meinen Eltern. Entsprechend habe ich kaum Fixkosten. Die Arbeit macht mir Spass und ist eine Abwechslung, die ich brauche. Das ist für mich überhaupt keine Belastung.

Das heisst, du könntest – wenn du das möchtest – voll und ganz auf die Karte Judo setzen?
Ja, das wäre möglich und vielleicht werde ich das auch einmal machen. Aktuell ist aber nichts Entsprechendes geplant.

Der Aargauer Judoka Daniel Eich in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Wäre es denn möglich, dass du deine Karriere über die Preisgelder finanzieren könntest oder brauchst du den Verband?
Ohne die grosszügige Unterstützung des Verbandes könnte ich nicht als Judoprofi unterwegs sein. Die Preisgelder im Judo sind nicht zu vergleichen mit anderen Sportarten. Einerseits gibt es nur Preisgelder, wenn du bei einem Grand Prix oder einem Grand Slam aufs Podest kommst. Alle anderen Rangierungen gehen leer aus. Das können dann je nach Wettkampf gut und gerne 30 oder noch mehr Athleten sein, die nichts bekommen. Und das Preisgeld für die Top 3 bewegt sich im Rahmen zwischen 1000 und 5000 Franken. An einer EM oder WM gibt es noch etwas mehr zu gewinnen. Wenn du aufs Podest kommst, kannst du also in etwa die Kosten für die Reise und die Unterkunft für ein Turnier decken, aber niemals eine ganze Karriere finanzieren.

Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.