World Wide Aargau

«Ein B ist auch ok, wenn ich dafür den Hammer zwei Meter weiter werfe»

von Fabio Baranzini – 25. September 2023

Hammerwerfer Lukas Baroke in Aktion

Bild: athletix.ch

Hammerwerfer Lukas Baroke vom BTV Aarau Athletics ist für seinen Sport in die USA gezogen, wo er an der Virginia Tech Universität studiert und intensiv trainiert. In unserer Serie «World Wide Aargau» hat er uns von seinem neuen Leben als Spitzensportler und Student in den USA erzählt. 

Lukas, du bist seit wenigen Wochen in den USA, wo du die nächsten vier Jahre studieren und trainieren wirst. Was sind deine ersten Eindrücke?
Es ist alles viel grösser hier. Allein die Universität ist riesig. Um vom Sportplatz zur Mensa zu gelangen, brauchst du eigentlich ein Auto. (lacht) Insgesamt studieren hier 35’000 Personen und in der Stadt, in der ich wohne, leben praktisch nur Studierende. Ich teile mir eine WG mit anderen Sportlern. Die ist super gelegen – in fünf Minuten bin ich auf dem Trainingsplatz.

Und wie sieht die Sportinfrastruktur aus?
Die ist absolut top. Wir haben eine indoor und eine outdoor Wurfanlage. Zudem gibt es einen Kraftraum nur für uns Werfer, der sich direkt neben unserer Wurfanlage befindet. Und es gibt eine Mensa, in der ausschliessliche Sportlerinnen und Sportler verpflegt werden. Zwei Mal pro Tag dürfen wir dort kostenlos essen. Und auch das Trainerteam kann sich mehr als sehen lassen.

Lukas Baroke und seine Trainingsgruppe

Bild: zur Verfügung gestellt

Inwiefern?
Unserem Werferteam stehen drei Physiotherapeuten zur Verfügung, sowie zwei Ernährungsberater, ein Athletiktrainer, ein Coach fürs Krafttraining und drei Sportpsychologen. Wir sind also sehr gut umsorgt (lacht).

Bevor wir noch detaillierter auf das Training, deine Wettkämpfe in den USA und deine Ziele eingehen, möchte ich noch einen Schritt zurückgehen. Wann und weshalb wurde es für dich überhaupt zum Thema, in den USA dein Studium mit Spitzensport zu verbinden?
Das hängt eng mit meinem Trainer in der Schweiz zusammen. Er ist Amerikaner und brachte das Thema Studium in Amerika schon nach meinem Abschluss an der Kanti in Aarau auf. Damals war es für mich aber noch keine konkrete Option und so begann ich im Sommer 2021 ein Vollzeitstudium in Biologie an der Universität Zürich und versuchte, nebenbei so viel wie möglich zu trainieren.

«Der Trainer der Virginia Tech Universität war mir am sympathischsten.»

Lukas Baroke, Hammerwerfer

Hat das funktioniert?
Nicht so, wie ich mir das gewünscht hatte. Vollzeit zu studieren und gleichzeitig noch zu trainieren, war schon sehr intensiv. Ich habe mich daher entschieden, nach einem Jahr Studium auszusetzen und eine neue Lösung zu suchen.

Und da wurden die USA wieder zum Thema?
Richtig. Mein Trainer hat seine Kontakte spielen lassen und versucht, mich an verschiedenen Universitäten unterzubringen. Letztlich hatte es drei Schulen, die mir ein Stipendium angeboten haben und mich in ihrem Sportteam haben wollten.

Wie hast du dich entschieden? Hast du alle Unis besucht?
Nein, dazu hat die Zeit nicht gereicht. Ich habe mit den Trainern aller Unis gesprochen und basierend darauf den Entscheid gefällt. Der Trainer der Virginia Tech Universität war mir am sympathischsten. Das hat letztlich den Ausschlag gegeben, denn bezüglich Infrastruktur, sowie der schulischen und sportlichen Qualität waren alle drei Unis super.

Bist du auch #aargauersport? 

Egal ob Sportlerin, Trainer, Schiedsrichterin, Funktionär, Vorstandsmitglied, Organisator oder leidenschaftlicher Fan – erzähl uns deine Geschichte!

Gibt es viele Schweizer Leichtathletinnen und Leichtathleten, die ihren sportlichen Weg mit einer Ausbildung an einer amerikanischen Universität verbinden?
Mir sind nicht allzu viele bekannt, die aus der Schweiz diesen Weg wählen. Es hat aber sehr viel ausländische Studenten, die an amerikanischen Universitäten Teil des Leichtathletik Teams sind. In unserem Werferteam, das aus acht Personen besteht, ist beispielsweise nur ein Amerikaner dabei. Alle anderen kommen aus dem Ausland.

Wie steht es denn um das sportliche Niveau an deiner Universität?
Da das offizielle Training eben erst begonnen hat, kann ich das noch nicht im Detail sagen. Aber die Athletinnen und Athleten, die hier trainieren, weisen ein sehr hohes Niveau auf. Nicht wenige davon haben das Ziel, nächstes Jahr an den Olympischen Spielen dabei zu sein. Auf dem Papier müssen sie zwar Amateursportler sein, um an den Wettkämpfen der Universität teilnehmen zu können. Aber das bedeutet in der Praxis lediglich, dass sie kein Preisgeld annehmen dürfen. Aufgrund ihrer Leistungen wären viele längst Profis.

Wie sieht dein Trainings- und Schulalltag aus?
Ich habe jeweils bis 1 Uhr mittags Unterricht und am Nachmittag Training. Insgesamt komme ich auf etwa 15 bis 16 Stunden Training pro Woche plus Regeneration, Physiotherapie und Ernährungsberatung. Trainiert wird zumeist in kleinen Gruppen. Wir Hammerwerfer sind beispielsweise zu dritt und haben einen eigenen Trainer für uns. Kraft- und Athletiktraining absolvieren wir dann in etwas grösseren Gruppen. Trainiert wird nach amerikanischem System, was für mich aber keine Umstellung ist, da mein Trainer in der Schweiz auch Amerikaner war.

Lukas Baroke auf dem Campus seiner Universität in Amerika

Bild: zur Verfügung gestellt

Wie viele Wettkämpfe stehen bei dir auf dem Programm?
Im Vergleich zur Schweizer relativ wenige. Ich komme maximal auf sieben Wettkämpfe, an denen ich teilnehmen muss. In der Schweiz habe ich jeweils etwa an zwölf oder dreizehn Wettkämpfen teilgenommen. Und wenn ich hier an den Start gehe, trete ich immer für meine Universität an. Alle Leichtathletinnen und Leichtathleten unserer Uni sammeln mit ihren Ergebnissen Punkte, die dann addiert werden. Die Uni mit den meisten Punkten hat dann das Meeting gewonnen.

Du hast einen Vertrag für vier Jahre unterzeichnet. Wenn alles nach Plan läuft – wo stehst du sportlich nach diesen vier Jahren?
Ich möchte mich jedes Jahr steigern und am Ende der vier Jahre den Hammer auf 74 bis 75 Meter werfen. Aktuell bin ich bei 67 Metern. Wenn ich das schaffe, dann kann ich bei der Elite um einen WM-Startplatz kämpfen. Das ist aktuell noch Wunschdenken, aber es ist mein grosses Ziel, dahin zu kommen.

Deine schulische Ausbildung und der Sport sind eng miteinander verbunden. Was hat Priorität?
Ganz klar die Schule. Denn die Universität investiert mit dem Stipendium viel Geld in mich und in meine Ausbildung. Für die Schule ist es wichtig, dass ihre Sportlerinnen und Sportler den Abschluss schaffen. Entsprechend muss ich in der Schule Leistung bringen. Für mich ist aber klar: Ich brauche keinen Abschluss mit einem A mit Sternchen. Ein B ist auch ok, wenn ich dafür den Hammer zwei Meter weiter werfe. (lacht)

Lukas Baroke mit seiner Trainingsgruppe am Trainieren

Bild: zur Verfügung gestellt

Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.