Über den Tellerrand
«Es geht um Ruhm und Ehre und nicht um Geld»
Bild: Fabio Baranzini
In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal widmen wir uns dem Faustball.
Im letzten Sommer hat sich der Faustballsport in der Schweiz gleich zwei Mal auf der ganz grossen Bühne präsentieren können. Zum einen an der Abschlussfeier des Eidgenössischen Turnfestes in Aarau, als die Schweizer Nationalmannschaft im ausverkauften Brügglifeld-Stadion gegen Deutschland spielte. Und zum anderen wenige Wochen später an der Heim-WM auf der Schützenwiese in Winterthur, wo unter anderem auch das Schweizer Fernsehen ausführlich über die Faustballer berichtet hat.
Ansonsten gehört der Faustballsport in der Schweiz und auch im Kanton Aargau zu den Randsportarten. Allerdings ist der Aargau in der Schweizer Faustballszene stark vertreten – vor allem bei den Männern. Dort spielt der STV Oberentfelden an der Spitze der Nationalliga A mit und in der Nationalliga B laufen mit der FG Fricktal, dem STV Staffelbach, dem STV Vordemwald und der zweiten Mannschaft der Oberentfelder gleich vier Equipen auf. Auch in der Breite ist der Kanton Aargau in der Faustballszene gut vertreten. Mit mehr als 1000 aktiven Spielerinnen und Spielern, die am Meisterschaftsbetrieb teilnehmen, gehört der Aargau schweizweit zu den aktivsten Faustball-Kantonen.
«Faustball ist unglaublich vielfältig. Man kann mit Power aber auch mit Raffinesse zum Erfolg kommen.»
Das sind die Grundregeln
Doch wie funktioniert Faustball überhaupt? Wir haben bei Oberentfeldens Angriffsspieler Tim Egolf nachgefragt. Der 21-Jährige hat bereits mehrmals für die U18- und U21-Nationalmannschaft gespielt und wird diese Woche sein Debüt in der A-Nationalmannschaft geben. Er weiss also, wovon er spricht. Tim, wie erklärst du deinen Sport jemandem, der noch nie Faustball gesehen hat?
«Das Grundprinzip des Faustballs lässt sich mit Volleyball vergleichen. Zwei Teams mit je fünf Spielern treten gegeneinander an. Jede Mannschaft hat ein Feld von 25 Meter Länge und 20 Meter Breite abzudecken. Das Ziel besteht darin, den Ball so zu platzieren, dass das gegnerische Team diesen nicht mehr zurückspielen kann», erklärt Egolf. «Das Team hat jeweils drei Ballberührungen, um den Ball wieder auf die andere Seite zu spielen. Anders als im Volleyball darf der Ball zwischen den Berührungen innerhalb des Spielfeldes einmal auf dem Boden aufkommen – dafür darf jeder Spieler den Ball pro Spielzug nur einmal berühren.» Gespielt werden jeweils Sätze auf elf Punkte. Dabei gewinnt das Team, das zuerst drei Sätze für sich entscheiden kann.
Fünf Spieler, drei verschiedene Aufgaben
Soweit so gut. Was auf den ersten Blick nach einer relativ einfachen Sportart klingt, wird auf einmal komplexer, wenn man sich die verschiedenen Positionen der fünf Spieler anschaut. Ähnlich wie es im Fussball Verteidiger, Mittelfeldspieler und Stürmer gibt, gibt es im Faustball Abwehrspieler, den Mittelmann und die Angreifer. Tim Egolf erklärt, welche Aufgaben die Spieler auf diesen drei Positionen haben und welche Fähigkeiten sie im Idealfall mitbringen sollten. «Ganz einfach erklärt, haben die beiden Abwehrspieler, die sich im hinteren Teil des Feldes aufhalten, die Aufgabe, die Angriffe des Gegners zu entschärfen. Dafür müssen sie flink und wendig sein», so Egolf. «Nach der Abwehr übernimmt im Idealfall der Mittelmann und spielt den zweiten Ball so präzise wie möglich aufs Netz, damit einer der beiden Angreifer punkten kann. Die Angreifer schlagen während des Ballwechsels und eröffnen auch den Punkt mit Hilfe des Service.»
Bild: Fabio Baranzini
Es braucht Leidenschaft
Obwohl «nur» fünf Spieler auf dem Feld stehen, bieten sich im Faustball viele taktische Möglichkeiten. «Faustball ist unglaublich vielfältig. Man kann mit Power aber auch mit Raffinesse zum Erfolg kommen. Es gibt im taktischen Bereich auch viele verschiedene Aufstellungen, um die Angriffe des Gegners zu entschärfen. Das macht unseren Sport so interessant und attraktiv», beschreibt Egolf seine Leidenschaft fürs Faustball.
Leidenschaft ist ein wichtiges Stichwort. Denn die braucht es fürs Faustball. Zwei bis drei Mannschaftstrainings stehen pro Woche auf dem Programm und noch einmal so viele Einheiten im Kraft- und Ausdauerbereich. Zumindest dann, wenn man an der nationalen Spitze mithalten will. Und das, ohne dass man einen Franken verdient. Im Gegenteil: Selbst wer mit der Nationalmannschaft unterwegs ist, muss einen Teil der Reisekosten selber übernehmen, um an den grossen Titelkämpfen wie WM oder EM teilzunehmen, die weiter entfernt stattfinden. Aber das hat auch sein Gutes. «Wir alle spielen aus Leidenschaft für unseren Sport. Und vielleicht sind genau deshalb die Emotionen und der Teamspirit so wichtig. Denn schliesslich geht es nur um Ruhm und Ehre fürs eigene Team und nicht um Geld.»
Der EM-Final zwischen der Schweiz und Deutschland 2014
Hinweis
Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.