Über den Tellerrand

«Es gibt fast unendlich viele Spielzüge»

von Fabio Baranzini – 26. Mai 2020

Argovia Pirates in Aktion

Bild: Roman Schläpfer

In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal widmen wir uns dem American Football. 

Bereits in den 90er Jahren wurde im Kanton Aargau American Football gespielt. Damals waren vor allem die Argovia Thunderbirds aus Wohlen aktiv. Von 1995 bis 2002 spielte auch Viktor Gegeckas für die Thunderbirds. Doch irgendwann liess sich seine Arbeit nicht mehr mit dem American Football kombinieren. Die Zeit wurde zu knapp. Viele seiner Teamkollegen ereilt dasselbe Schicksal, so dass der Verein einige Jahre später aufgelöst wurde. 

Die Freundschaften aber sind geblieben. Die ehemaligen Thunderbirds-Spieler trafen sich bei Gelegenheit und immer wieder kam dabei auch das Thema auf, im Kanton Aargau wieder einen American Footballverein ins Leben zu rufen. Doch die Jahre zogen ins Land, ohne dass etwas geschah. Erst im Frühling 2013 wurde es konkret und elf ehemalige Spieler nahmen die Zügel in die Hand. «Im November 2013 begannen wir mit 16 Personen zu trainieren. Der Zulauf war grösser als erwartet und dank einer Beitragsserie in der Argovia-Morgenshow sind Anfang 2014 nochmals sehr viele Spieler zum Team gestossen, so dass wir 2014 offiziell den Verein Argovia Pirates gegründet haben», so Gegeckas, der seither Präsident des Vereins ist.

«Innerhalb von ein bis zwei Sekunden muss der Quarterback den Gegner und dessen Deckung analysieren und sich entscheiden, wie er spielt.»

Viktor Gegeckas, Präsident Argovia Pirates

Das einzige Team im Aargau

Heute zählen die Pirates, die auf der Sportanlage Suhrenmatte in Buchs eine Heimat gefunden haben, rund 200 Mitglieder und stellen fünf Teams. Drei Nachwuchsmannschaften (U13, U16, U19), sowie ein Flagball-Team bei den Aktiven und die 1. Mannschaft, die derzeit in der Nationalliga B spielt. Die Argovia Pirates sind das einzige Aargauer Team, das offiziell vom Verband anerkannt ist. Ganz neu sind auch die Zofingen Cheetahs auf der Schweizer American Football Landkarte aufgetaucht. 

American Football ist ein intensiver, körperbetonter Sport, bei dem es richtig zur Sache geht. Das macht natürlich auf der einen Seite die Faszination aus, ist aber im Juniorenbereich nicht ganz ungefährlich.  «Die U13- und die U16-Junioren spielen daher bei uns das sogenannte Flagball. Das ist die American Football Variante ohne Körperkontakt. Diese ist ideal, um die Sportart und die Regeln kennenzulernen. Zudem hilft es, die Bedenken der besorgten Eltern abzubauen», meint Gegeckas. 

Argovia Pirates in Aktion

Bild: Andreas Lüscher

Eine komplexe Sportart

Dass die Kids American Football zuerst kennenlernen müssen, kommt nicht von ungefähr. Die Sportart ist ziemlich anspruchsvoll, da sie neben den körperlichen Herausforderungen auch enorm viele taktische Elemente beinhaltet und viele Entscheide in ganz kurzer Zeit gefällt werden müssen. Hier eine Kurz-Einführung ins American Football:

Grundregeln

Zwei Teams spielen während vier Mal 15 Minuten gegeneinander. Das Ziel besteht darin, den Ball in die Endzone des Gegners zu bringen. Der Ball darf entweder getragen oder gepasst werden. Auf dem Spielfeld stehen sich jeweils elf Spieler gegenüber. Ein Team ist in der Offensive und hat entsprechend das Angriffsrecht. Das andere Team ist in der Defensive und versucht, sich das Angriffsrecht zu ergattern. Das angreifende Team hat vier Spielzüge zur Verfügung, um eine Distanz von 10 Yards in Richtung Endzone des Gegners zurückzulegen. Gelingt das, erhalten sie vier weitere Spielzüge für die nächsten 10 Yards. Wenn die 10 Yards nicht zurückgelegt werden können oder das gegnerische Team den Ball abfängt, wechselt das Angriffsrecht. Wenn dies der Fall ist, wechseln zumeist beide Teams ihre Spieler komplett aus. Denn eine American Football Mannschaft hat jeweils Angriff- und Abwehrspezialisten in ihren Reihen. 

Spielertypen

Dabei wird zwischen zwei Spielertypen unterschieden: Die «schweren Jungs» und die «schnellen, flinken Athleten». Die «schweren Jungs» haben mit dem Ball nichts zu tun. Sie haben die Aufgabe, die gegnerischen Spieler aus dem Weg zu räumen. Die «schnellen, flinken Athleten» dagegen rennen entweder mit dem Ball übers Spielfeld und versuchen, eine möglichst grosse Distanz zurückzulegen (Runningback), oder versuchen, die Pässe des Spielmachers (Quarterback) zu fangen (Receiver). 

Argovia Pirates in Aktion

Bild: Noaries Photography

Spielzüge

Der Quarterback ist der Schlüsselspieler des Teams. Er wirft die Pässe zu den Receivern oder übergibt den Ball an die Runningbacks. «Innerhalb von ein bis zwei Sekunden muss der Quarterback den Gegner und dessen Deckung analysieren und sich entscheiden, wie er spielt», erklärt Gegeckas. «Es gibt unglaublich viele Spielzüge. Die Basis bilden jeweils ein paar wenige Grundaufstellungen. Aus jeder dieser Aufstellungen kann entweder eine Pass- oder eine Laufvariante oder ein Trickspielzug ausgelöst werden. Je nach Abwehrverhalten des Gegners – der hat ebenfalls verschiedene Aufstellungen und kann jeweils eine Zonen- oder eine Manndeckung spielen – müssen die Laufwege und der Wurf angepasst werden. Das ist also ziemlich anspruchsvoll – vor allem weil der Quarterback und seine Mitspieler die Situation identisch einschätzen müssen, damit sie sich für denselbe Variante vom vorgängig abgemachten Spielzug entscheiden», so Gegeckas. 

Punkte

Wenn einem Team ein Touchdown in der Endzone des Gegners gelingt, gibt das sechs Punkte. Mit einem Fieldgoal (1 Punkt) oder einer «Two-Point-Conversion» (2 Punkte) können direkt nach dem Touchdown noch weitere Punkte ergattert werden. Auch gelungene Abwehraktionen, sogenannte «Safeties», werden mit zwei Punkten belohnt. In einem normalen Spiel gelingen einem Team zwischen 10 und 30 Punkte. 

Deine Ansprechperson

Wer American Football selber einmal ausprobieren will, der kann bei den Argovia Pirates oder den Zofingen Cheetahs ins Probetraining. Weitere Infos dazu gibt es hier: