«Für mich ist Matthias aktuell der kompletteste Läufer der Schweiz»

«Matthias und ich haben gleichzeitig mit dem OL-Sport begonnen. Wir waren damals 14 und 12 Jahre alt. Für heutige Verhältnisse haben wir eigentlich viel zu spät begonnen. Aber wir stammen aus einer sehr sportlichen Familie und brachten daher eine gute Grundlage mit. Und wir sind gleich ziemlich ‘steil’ eingestiegen in den OL-Sport und haben richtig Gas gegeben. Dass wir in der Anfangsphase alle Trainings und Trainingslager gemeinsam bestreiten konnten, hat uns sicherlich geholfen und auch Sicherheit gegeben. Wir sind sehr behütet aufgewachsen und da waren wir schon froh, wenn wir bei einem Trainingslager im Ausland zu zweit unterwegs waren.

Es zeigte sich schon bald, dass Matthias der bessere Athlet von uns beiden ist. Ich kann mich noch sehr genau an das Intervalltraining erinnern, in dem er mich zum ersten Mal abgehängt hat. Er war damals erst 16 Jahre alt – das war schon hart für mich und hat mich auch richtig geärgert. Aber man muss auch ehrlich sein: Matthias ist schlicht absolute Weltklasse. Diese Tatsache hat es einfacher gemacht, zu akzeptieren, dass der kleinere Bruder einfach schneller ist. Meine Karriere war ja letztlich auch ganz gut und ich konnte mich jeweils umso mehr freuen, wenn ich Matthias in einem Wettkampf mal schlagen konnte.

Matthias bringt unbestritten sehr viel Talent mit. Aber das allein reicht nicht. Man muss auch gut trainieren und sich gut erholen. Das ist an sich keine Hexerei und wird in x hundert Büchern beschrieben. Aber man muss es halt auch richtig umsetzen. Und das kann Matthias extrem gut. Er ist sehr konsequent, hat eine hohe Selbstdisziplin und vor allem ist er mental stark. Er ha einen Killerinstinkt im Wettkampf, wie ihn nur ganz wenige Athleten haben. Ich glaube, das ist entscheidend.  

Seine Konstanz, über so viele Jahre an der absoluten Weltspitze mitmischen zu können, ist auch für mich absolut beeindruckend. Das hängt eng damit zusammen, dass er praktisch nie verletzt war. Dafür investiert er aber auch sehr viel. Er wird eng betreut vom Medical Team des Verbandes, geht jede Woche zum Physio und macht sehr viele Kräftigungsübungen. Von aussen sieht es bei ihm immer so leicht und mühelos aus. Aber es steckt unglaublich viel Arbeit dahinter, die man nicht sieht. Vor vier Jahren hatte er beispielsweise grosse Probleme mit der Hüfte und der Arzt sagte ihm, dass er keine Zukunft im Spitzensport für ihn sehe. Matthias hat aber auch diese Probleme mit ganz viel Arbeit und Disziplin in den Griff bekommen.  

Matthias zeichnet zudem seine Fairness und seine Bescheidenheit aus. Ein Beispiel: Bei der Heim-WM in Flims im letzten Jahr, wo er zwei Gold- und eine Silbermedaille gewann, war er in den Medien sehr präsent. Aber ihm bedeutet das nicht viel. Am Montag nach der WM in Flims ging er ins Marzili Bad in Bern und kein Mensch erkannte ihn. Ihm ist es wohl so, auch wenn ich finde, dass er für seine Erfolge viel mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient hätte und daraus auch mehr Kapital schlagen sollte. Für mich ist er aktuell der kompletteste Läufer der Schweiz. Das hat er nicht zuletzt am Silvesterlauf bewiesen, wo er Leichtathletikgrössen wie Tadesse Abraham, Jonas Räss und Julien Wanders geschlagen hat.»