World Wide Aargau
«Fussball hat praktisch keine Präsenz in Las Vegas»
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Der Aarauer Fussballprofi Nicholas Ammeter (24) hat nach fünf Jahren Challenge League im letzten Februar den Sprung über den Atlantik in die USA gewagt, wo er seither für die Las Vegas Lights spielt. Wie sein Leben als Fussballprofi in der Grossstadt mitten in der Wüste von Nevada aussieht, erzählt er uns in der neusten Ausgabe unserer Serie «World Wide Aargau».
Nicholas, vor knapp einem Jahr hast du den FC Wil verlassen und hast von der Challenge League zu den Las Vegas Lights in die zweite Amerikanische Liga gewechselt. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin in New York geboren und habe daher neben dem Schweizer auch den amerikanischen Pass. Das hat den Vorteil, dass ich bei amerikanischen Clubs das Ausländer Kontingent nicht belaste. Es gab daher auch in früheren Jahren immer mal wieder Anfragen aus Amerika, aber der Zeitpunkt stimmte nicht.
Weshalb nicht?
Damals war ich nach dem ersten erfolgreichen Jahr mit Aarau, wo ich in der Challenge League praktisch durchgespielt hatte, in der Rolle des Ersatztorhüters. Ich wollte mir aber beweisen, dass ich das Niveau habe, um mich in der Challenge League durchzusetzen. Deshalb lehnte ich die ersten Angebote aus den USA ab. Die Anfrage aus Las Vegas kam dann aber genau richtig, denn ich hatte in Wil gezeigt, dass ich in der Challenge League bestehen kann.
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Was hat dich an den USA und Las Vegas gereizt?
Einerseits der persönliche Bezug, den ich zu den USA habe, weil ich dort geboren bin. Und andererseits hat es sich richtig angefühlt, meine Komfortzone zu verlassen und nicht nur sportlich, sondern auch persönlich einen Schritt vorwärtszumachen.
Wie hast du dich in Las Vegas eingelebt?
Sehr gut. Im ersten Moment war es etwas surreal, dass ich jetzt in Las Vegas lebe. In der ersten Woche gabs beispielsweise einen Moment, als ich vom Einkaufen zurück in meine Wohnung gelaufen bin und all die Hotels und Lichter am Stripe gesehen habe und dann realisierte, dass ich jetzt tatsächlich hier wohne. Das war schon verrückt. Ich habe etwas Angewöhnungszeit gebraucht, aber mittlerweile passt es gut. Es gefällt mir sehr hier, auch wenn ich als eher introvertierter Typ nicht dafür gemacht bin, jeden Tag in den Ausgang zu gehen. Dass man aber die Möglichkeit hat, abends in einem richtig guten Restaurant essen zu gehen, ist schon toll. Zudem sind die Leute sehr herzlich und offen – das gefällt mir. Das Einzige, was ich neben Familie und Freunden vermisse, ist die Natur. Hier gibt es kaum Bäume und keine Grünflächen.
Bist du auch #aargauersport?
Egal ob Sportlerin, Trainer, Schiedsrichterin, Funktionär, Vorstandsmitglied, Organisator oder leidenschaftlicher Fan – erzähl uns deine Geschichte!
Und wie sieht dein sportlicher Alltag aus?
Der ist absolut vergleichbar mit demjenigen in der Schweiz was die Trainingsinhalte, die Frequenz und die Intensität betrifft. Der wohl grösste Unterschied ist, dass wir hier vor allem im Sommer immer sehr früh morgens trainieren, weil es danach schlicht zu heiss ist. Das heisst, dass die Trainings jeweils um 8 Uhr beginnen.
Dein Start war aus sportlicher Sicht nicht ganz einfach oder?
Ja, das stimmt. Weil es einen Besitzerwechsel gab im Verein wurde auch die komplette Mannschaft ausgetauscht. Das heisst wir hatten keinen einigen Spieler, der bereits in der Vorsaison im Verein gespielt hat. Also auch keinen Kern oder eine Hierarchie, sondern einfach ein zusammengewürfelter Haufen, der sich zu einem Team bilden musste. Das war sehr spannend, führte aber dazu, dass es am Anfang viele Wechsel gab und wir auch nicht wirklich gute Resultate erzielten. Ich kam nach etwa zehn Spielen zum Einsatz und konnte dann acht Partien durchspielen. Das war gut.
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Und dann?
Dann bekam ich zuerst Corona und fiel deswegen aus und danach riss ich mir die Bänder im Fuss und musste drei Monate pausieren. Jetzt bin ich aber wieder fit, sass allerdings zum Ende der letzten Saison auf der Bank, da mein Ersatz während meiner Abwesenheit sehr gut gespielt und sich so die Position als Nummer eins verdient hat.
Wie fällt dein sportliches Fazit nach dem ersten Jahr bei den Las Vegas Lights aus?
Nach dem schwierigen Start haben wir eine wirklich gute Saison gespielt und von den letzten 30 Spielen nur vier verloren. So kamen wir in unserer Conference bis ins Finale, waren also insgesamt eines der Top 4 Teams des Landes in der zweiten Liga. Mir persönlich lief es natürlich mit der Verletzung nicht nach Wunsch. Ich bin eigentlich als Nummer eins verpflichtet worden. Diese Position will ich mir im neuen Jahr zurückholen.
Welchen Stellenwert hat eigentlich der Fussball in Las Vegas?
Ganz ehrlich, wir sind weit davon entfernt, das sportliche Aushängeschild der Stadt zu sein. Wir haben eine NFL-Franchise, ein NHL-Team und das Frauen Basketballteam ist das beste des Landes. Wir haben also im Sport enorm viel Konkurrenz und auch ausserhalb des Sports bietet Las Vegas extrem viel. Fussball hat praktisch keine Präsenz in Las Vegas. Dennoch konnten wir uns mit den guten Spielen im Verlauf der Saison ein paar neue Zuschauer erspielen. Wir hatten dadurch in den Playoffs etwa 7000 Zuschauer bei den Heimspielen.
«Das Stadion ist etwas in die Jahre gekommen und ist vergleichbar mit dem Brügglifeld.»
Wie steht es eigentlich um das sportliche Niveau und die Infrastruktur in der zweithöchsten Spielklasse Amerikas. Ist das vergleichbar mit der Challenge League?
Der Fussball in Amerika ist extrem physisch und es wird sehr viel Wert auf die Athletik gelegt. Die Topteams in unserer Liga könnten sicherlich in der Super League mitspielen. Allerdings ist das Gefälle sehr gross. Die schwächeren Teams bewegen sich dann eher auf dem Niveau der Promotion League. Und was man in Amerika schon merkt: Fussball hat nicht denselben Stellenwert wie bei uns in Europa. Viele Teams in unserer Liga müssen sich das Team mit einem Baseball oder Football Team teilen. Wir haben das Glück, dass wir ein eigenes Stadion haben. Es ist zwar ein ehemaliges Baseballstadion, aber es gehört mittlerweile uns. Das Stadion ist allerdings etwas in die Jahre gekommen und ist vergleichbar mit dem Brügglifeld (lacht).
Aktuell weilst du in der Schweiz, weil die Saison in Amerika Ende November geendet hat und die neue erst im März wieder losgeht. Machst du hier Urlaub oder bist du im Training?
Ich habe nach der Saison ein paar Tage Urlaub gemacht in Las Vegas. Seit Dezember bin ich nun in der Schweiz und trainiere nach meinem Kraft- und Athletikplan. Am 19. Januar geht’s dann zurück nach Las Vegas, wo wir die Saisonvorbereitung aufnehmen.
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Was ist dein Ziel für dein zweites Jahr in den USA?
Ich möchte mir meinen Platz als Nummer eins im Tor zurückholen. Und dann schauen wir weiter.
Was heisst das? Ist das Ziel die MLS, die höchste amerikanische Liga, oder eine Rückkehr nach Europa?
Da bin ich offen. Natürlich würde ich gerne mal in der MLS spielen, denn mittlerweile ist das die Liga mit dem weltweit vierthöchsten Zuschauerschnitt. Der liegt etwa bei 30’000 pro Spiel – das wäre schon cool. Ich kann mir aber auch eine Rückkehr in die Schweiz vorstellen. Viel hängt von meinen Leistungen in der nächsten Saison ab. Ich mache mir da aber keinen Druck. Ich habe mit meinem Wirtschaftsstudium, das ich in eineinhalb Jahren abschliesse, ein zweites Standbein aufgebaut. Ich muss also nicht um jeden Preis bis 38 Fussballprofi sein, auch wenn ich nach wie vor sehr gerne Fussballspiele und auch viel in meine Karriere investiert habe.
Hinweis
In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.