Im Fokus

«Hätte ich weiter gemacht, hätte ich vielleicht schon künstliche Kniegelenke»

von Fabio Baranzini – 29. August 2019

Portraitbild Wasserspringerin Michelle Heimberg

Bild: zur Verfügung gestellt

In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir einmal im Monat einen Sportler oder eine Sportlerin aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt hat. Diesmal ist es Wasserspringerin Michelle Heimberg aus Fislisbach.

Einmal an Olympischen Spielen teilnehmen. Das ist der grosse Traum von Michelle Heimberg. Ein Traum, den sie schon als kleines Mädchen hegte. Damals, als sie noch als Kunstturnerin aktiv war. Doch schon früh war klar: Im Kunstturnen wird sich Michelle Heimberg ihren Olympiatraum nicht erfüllen können. Im Alter von 12 Jahren musste sie mit dem Kunstturnen aufhören. Ihre Knie spielten nicht mehr mit. Kurz nacheinander hat sie sich im Training ohne Fremdeinwirkung zuerst die linke und dann die rechte Kniescheibe gebrochen. Die Ärzte rieten ihr, mit Kunstturnen aufzuhören. «Hätte ich weitergemacht, hätte ich vielleicht schon künstliche Kniegelenke», blickt Michelle Heimberg zurück.

Doch die Fislisbacherin gab deswegen nicht auf. Sie suchte sich eine andere Sportart. Die Kriterien: knieschonend und olympisch. Tennis, Biken und Leichtathletik hätten ihr gefallen. Doch die erfüllten das Kriterium «knieschonend» nicht. Ihre Eltern stiessen im Internet auf Wasserspringen. Michelle Heimberg besuchte ein Probetraining. Und es passte sofort. Bereits nach ein paar Trainings wurde sie ins Regionalkader aufgenommen. Nach eineinhalb Jahren folgte die erste Teilnahme an einer Junioren-EM, wo sie mit dem Team bereits die Silbermedaille gewann.

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EM-Silber nach eineinhalb Jahren

«Das war für mich der Moment, in dem ich wusste, dass ich im Wasserspringen wirklich etwas erreichen kann. Wenn ich nach nur eineinhalb Jahren Training eine EM-Medaille gewinnen kann, was liegt dann noch drin, wenn ich konsequent weitermache?», fragte sie sich. Die Antwort auf diese Frage ist eindrücklich: Fünf Mal ist Michelle Heimberg Vize-Europameisterin bei den Juniorinnen geworden. 2017 hat sie im Alter von 17 Jahren bei der Elite EM-Silber vom 3m-Brett gewonnen. Und im August liess sie mit Jonathan Suckow im Synchronspringen eine bronzene Auszeichnung an der EM folgen. «Diese Bronzemedaille war ein toller Schlusspunkt meines ersten Elite-Jahres», so die 19-Jährige.

«Wenn ich nach nur eineinhalb Jahren Training eine EM-Medaille gewinnen kann, was liegt dann noch drin, wenn ich konsequent weitermache?»

Michelle Heimberg, Wasserspringerin

Für ihre Erfolge arbeitet Michelle Heimberg hart. 25 Stunden trainiert sie jede Woche. Nach ihren Anfängen beim SC Aarefisch entschied sie sich vor drei Jahren, nach Genf zu wechseln. Dort kann sie täglich auf dem 3m-Brett trainieren. Das ist entscheidend, wenn sich die 19-Jährige ihren Olympiatraum erfüllen will. Denn nur die Wettkämpfe vom 3m- und vom 10m-Brett sind olympisch. Nachdem sie in Genf anfänglich bei einer Gastfamilie gewohnt hatte, hat sie seit Anfang dieses Jahres eine eigene Wohnung. «Von Montag bis Donnerstag lebe ich in Genf, Freitag und Samstag trainiere ich dann in Zürich, weil ich dort auch noch die Schule besuche, um die Matura zu beenden.» Im Februar sollte Michelle Heimberg ihren Abschluss in der Tasche haben.

Der Olympiatraum

Dann will sie sich voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Ihr ganz grosses Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio im nächsten August. Noch hat sie sich dafür nicht qualifiziert. Doch in ihrem ersten vollständigen Jahr bei der Elite hat sie wichtige Erfahrungen gesammelt. «Ich weiss, dass ich das Sprünge draufhabe, um mich für Olympia zu qualifizieren», sagt sie. «Wenn ich es schaffe, so konstant zu springen wie an der EM im August, dass sollte das reichen.»

Die Krux an der Sache: Michelle Heimberg hat nur eine einzige Gelegenheit, um das Olympia-Ticket zu lösen. Im April 2020 findet der Weltcup in Tokio statt. Wenn sie dort in die Top 18 springt, geht ihr Olympiatraum in Erfüllung. Die Resultate an allen anderen Wettkämpfen vorher und nachher sind irrelevant für die Olympischen Spiele. Zumindest auf dem Papier. «Ich will ab November bei den Weltcup-Einsätzen gute Leistungen zeigen, damit mein Selbstvertrauen stimmt, wenn es im April um die Olympia-Qualifikation geht.»

Wasserspringerin Michelle Heimberg in Aktion

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Hinweis

In unserer Rubrik «Im Fokus» stellen wir einmal im Monat einen Sportler oder eine Sportlerin aus dem Kanton Aargau vor, die mit ihren Leistungen für Aufsehen gesorgt hat. Alle bisherigen Portraits findest du hier