Über den Tellerrand

Hornussen, der generationen- und geschlechterübergreifende Nationalsport

von Fabio Baranzini – 15. Juli 2025

Bild: zur Verfügung gestellt

In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal widmen wir uns einem Schweizer Nationalsport: dem Hornussen, der im Kanton Aargau immerhin noch von fünf Vereinen betrieben wird.

Adrian Uhlmann stammt aus einer richtigen «Hornusser-Familie». Der Grossvater hat gespielt. Der Vater auch. Der Onkel und sein Bruder spielen ebenso. «Seit ich mich erinnern kann, war ich auf dem Hornusserplatz und habe zuerst zugeschaut und dann selbst gespielt», sagt Adrian Uhlmann, der in der Hornussergesellschaft Balzenwil – dem einzigen Aargauer NLA-Team – spielt. Gefragt nach der Faszination des Hornussens, das neben Schwingen und Steinstossen eine von drei Schweizer Nationalsportarten ist, beschreibt es Adrian Uhlmann wie folgt: «Es gibt zwei Aspekte, die mich faszinieren. Einerseits kann jeder Hornussen. Es gibt Teams, in denen spielen drei Generationen mit, auch Frauen und Männer spielen im selben Team. Das finde ich gesellschaftlich sehr wertvoll – auf und neben dem Spielfeld. Andererseits ist es ein sagenhaftes Gefühl, wenn du den Nouss beim Schlag richtig triffst. Das macht fast ein wenig süchtig», meint er lachend. 

«Der grösste Vorteil, den man haben kann, ist, wenn man schon als Kind mit Hornussen begonnen hat.»

Adrian Uhlmann, Hornusser der HG Balzenwil

72 Abschläge pro Team 

Doch wie funktioniert denn jetzt das Hornussen eigentlich? «Ich kann es leider nicht schönreden: Hornussen ist ziemlich kompliziert», sagt Adrian Uhlmann. Na dann, wagen wir doch einen Versuch und tauchen ein in die Welt des Hornussens. Beginnen wir mit den Basics: Hornussen ist ein Mannschaftssport. Zwei Teams mit je 18 Spielerinnen und Spielern treten gegeneinander an. Das Heimteam beginnt mit dem Schlagen. Alle 18 Teammitglieder schlagen je zwei Mal den «Nouss» – ein Kunststoffscheibe – mit einem Stecken vom Abschlagbock ins Spielfeld. Dort steht die gegnerische Mannschaft, jeder ausgerüstet mit einer sogenannten Schaufel, und versucht den «Nouss» abzufangen, bevor er im Spielfeld landet. Nachdem alle 18 Spielerinnen und Spieler ihre Schläge absolviert haben, tauschen die Mannschaften die Plätze. Wenn auch in der zweiten Equipe alle 18 Mitglieder je zwei Schläge absolviert haben, ist die Hälfte des Spiels durch. Es wird noch zwei Mal gewechselt bis am Ende beide Equipen je 72 Mal den «Nouss» ins Spielfeld geschlagen haben. 

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«Nouss abfangen» ist wichtiger als weit schlagen

Soweit so klar, aber wer gewinnt den nun? Dafür müssen wir uns mit der Zählweise des Hornussens auseinandersetzen. Und jetzt wird’s wirklich etwas kompliziert. Jeder Schlag eines Teammitglieds gibt Punkte für die Mannschaft. Je weiter der Schlag, desto mehr Punkte. Ab einer Distanz von 100 Metern gemessen vom Abschlagspunkt beginnt das Spielfeld. Ab hier wird pro zehn Meter Distanz, welche der «Nouss» zurücklegt, ein Punkt gutgeschrieben. Wenn er also bei 150 Meter landet, gibt es fünf Punkte für die Mannschaft. Bei 250 Metern wären es 15 Punkte und so weiter. Der Rekord liegt bei knapp 400 Metern, was allerdings nur bei idealen Windbedingungen möglich ist. 

Aber zurück zur Zählweise: Die Punkte der einzelnen Schläge werden pro Team zusammengezählt. Es gewinnt am Ende aber nicht zwingend das Team, das mehr Punkte geschlagen hat. Noch wichtiger als die erzielten Punkte ist es, dass möglichst selten ein «Nouss» innerhalb des Spielfelds den Boden berührt, ohne dass vorher eine Schaufel des eigenen Teams den «Nouss» abgefangen hat.

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Dafür verteilen sich die 18 Personen auf dem trapezförmigen Spielfeld, das 200 Meter lang und zwischen 8 und 14,67 Metern breit ist. «Es gibt Spieler, die sehr früh erkennen, wo der Nouss hinfliegt und es gibt Spieler, die technisch sehr gut und flink sind, welche den Nouss mit der Schaufel abtun können. Als Team muss man eine Aufstellung wählen, mit der man die Personen mit den jeweiligen Fähigkeiten gut auf dem Spielfeld verteilt, so dass idealerweise keiner der 72 Schläge des Gegners im eigenen Spielfeld landet», erklärt Adrian Uhlmann. Doch warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Das Team, das weniger «Nummern» – also nicht abgewehrte Nousse im eigenen Spielfeld – hat, gewinnt. Erst wenn beide Teams gleich viele «Nummern» haben, zählen die erzielten Punkte beim Abschlagen.

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Hornusser Hochburg ist der Kanton Bern

Alles klar? Hoffentlich! Aber Adrian hat nicht zu viel versprochen: Hornussen gehört definitiv zu den komplexeren Sportarten, die wir in unserer Serie «Über den Tellerrand» bislang vorgestellt haben. Doch was macht denn nun eigentlich einen guten Hornusser oder eine gute Hornusserin aus? «Der grösste Vorteil, den man haben kann, ist, wenn man schon als Kind mit Hornussen begonnen hat. Und zwar weil man dann beim Abtun besser sieht, wo der Nouss hinfliegt. Das ist etwas, das man fast nicht lernen kann. Da braucht es ganz viel Erfahrung und Intuition. Das Schlagen kann man dagegen lernen, auch wenn man später beginnt», erklärt Adrian Uhlmann.

So funktioniert Hornussen

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Die Hochburg des Hornusses liegt im Kanton Bern. Geschätzt 90 Prozent aller insgesamt 226 Mannschaften, die am nationalen Spielbetrieb teilnehmen, kommen aus dem Kanton Bern. Im Aargau gibt es noch fünf Vereine, die sechs Teams stellen:

Neben der Meisterschaft, die jeweils von April bis Juli dauert, finden im Hornussen auch noch verschiedene Turniere statt, die teilweise im Rahmen von Verbandsfesten – ähnlich wie im Schwingen – organisiert werden. Das Highlight im Hornussen ist das Eidgenössische Hornusserfest, das alle drei Jahre stattfindet. Das nächste wird im August 2027 ausgetragen.

Hinweis

Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.