Zurück in den Leistungssport

«Ich glaube an die kleine Chance, ohne Operation an der WM zu spielen»

von Fabio Baranzini – 6. Juli 2025

Bild: zur Verfügung gestellt

Die 23-jährige Aargauer Unihockey Nationalspielerin Leonie Wieland hat sich im letzten Training vor dem Superfinal Ende April das Kreuzband im linken Knie gerissen. Wir begleiten sie im Rahmen einer Artikelserie auf ihrem Weg zurück in den Spitzensport. Im zweiten Teil erzählt sie, weshalb der Reha-Plan A nicht funktioniert hat, welchen Weg sie jetzt einschlägt und weshalb eine Operation trotzdem immer wahrscheinlicher wird.

«Nachdem ich die Diagnose ‘Kreuzbandriss im linken Knie’ erhalten hatte, trug ich sechs Wochen lang eine Schiene. Die Idee war, dass durch die Schiene mein Unterschenkel in der perfekten Position zu liegen kommt, damit das gerissene Kreuzband wieder zusammenwächst. Nun stand vor einigen Tagen eine Kontrolluntersuchung beim Arzt an. Dabei wurde überprüft, ob das Kreuzband wie gewünscht zusammengewachsen ist. Leider zeigte sich schnell, dass das nicht der Fall war. Der Spielraum in meinem Knie ist noch immer so gross wie vor sechs Wochen, als ich die Diagnose und die Schiene erhalten hatte. Der Grund dafür ist wohl, dass nach der Verletzung im Training Ende April fast drei Wochen vergangen sind, bis die Diagnose stand und daher das Zusammenwachsen des Kreuzbandes bereits nicht mehr möglich war.

«Die Chancen, dass dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt ist, sind aber leider nicht sehr gross.»

Leonie Wieland, Unihockey Nationalspielerin

Entsprechend mussten wir uns einen neuen Plan zurechtlegen für meine Reha. Eine Möglichkeit wäre weiterhin eine Operation. Diese kommt für mich aber nicht in Frage bis im Oktober, weil mein Praktikum als Hebamme, das ich im Moment gerade absolviere, bis im Oktober dauert. Wenn ich die Operation jetzt machen würde, müsste ich das Praktikum unterbrechen und würde im Studium ein Jahr verlieren. Das möchte ich nicht. Also bleibt nur noch eine Alternative: Ein vollständiger Aufbau aller Muskeln rund um mein linkes Knie. Die Idee ist, dass diese Muskeln meinem Knie die nötige Stabilität verleihen, dass ich auch mit einem gerissenen Kreuzband Unihockey spielen kann. Die Chancen, dass dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt ist, sind aber leider nicht sehr gross. Ich weiss also, dass ich im Oktober höchstwahrscheinlich mein Knie operieren muss. Ich bereite mich entsprechend mental auch bereits darauf vor, dass ich die WM mit der Nati verpassen werde.

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Dennoch glaube ich an die kleine Chance, dass der Muskelaufbau zum Erfolg führt und ich ohne Operation an der WM spielen kann. Ich werde daher sicher nicht aufgeben und setze alles daran, bis im Oktober so viel Muskeln wie möglich aufzubauen. Das wäre übrigens auch im Fall einer Operation positiv, denn die Muskeln, die ich mir jetzt antrainiere, könnte ich nach der Operation in der Reha schneller wieder aufbauen aufgrund des sogenannten ‘muscle memory’. Das Training hat also so oder so einen positiven Effekt. Und vor allem tut mir das Training auch einfach gut. Ich kann auf dem Laufband bereits wieder joggen, ich trainiere zudem zwei Mal pro Woche mit meinem Physio, der meinen gesamten Trainingsplan steuert, und absolviere drei bis vier geführte Krafttrainings im ‘Z4P’ in Winterthur. Bei diesen Einheiten trainiere ich jeweils den gesamten Körper, auch wenn der Fokus natürlich auf meinem linken Bein liegt. Die Trainings sind mega intensiv und ich habe oft Muskelkater. Ganz schmerzfrei sind die Übungen für mein Knie nicht. Gerade einbeinige Übungen verursachen immer wieder Schmerzen.

Bild: zur Verfügung gestellt

Der ‘Trainingsload’ ist bei mir momentan relativ hoch. Neben der Physio und den Krafteinheiten bin ich auch alle zwei Wochen bei meinem Neuroathletik-Trainer, wo wir Koordinations- und Geschicklichkeitsübungen machen, um meinen ‘Brain Speed’ zu trainieren. Das hilft mir, dass ich bei meiner Rückkehr auf das Spielfeld von den vielen Reizen nicht überfordert bin. Zudem bin ich auch einmal pro Woche im Training mit meinem Team von den Kloten-Dietlikon Jets. Ein paar Übungen kann ich bereits mitmachen. Ab und zu nehme ich auch den Stock und schiesse im Stehen ein paar Bälle. Da ich Assistenzcaptain der Mannschaft bin, übernehme ich auch einige organisatorische Aufgaben, um dem Team zu helfen. So habe ich das Gefühl, dass ich trotzdem Teil des Teams bin.

Obwohl ich im Alltag überhaupt keine Schmerzen mehr habe, obwohl ich wieder ohne Schiene unterwegs bin und obwohl ich trainieren darf, waren die letzten Wochen für mich kein Fortschritt. Ich weiss, dass meine Chancen sehr gering sind, dass ich die Operation vermeiden kann. Das belastet mich schon. Ich kann mir auch noch nicht wirklich vorstellen, wie es sein wird, wenn ich nach der Operation ein Jahr lang ausfallen und die WM verpassen werde. Zum Glück habe ich mein Praktikum im Gebärsaal, wo ich mich super von meiner Verletzung ablenken und etwas Abstand gewinnen kann. In den nächsten Wochen werde ich nun dieses Programm weiter absolvieren. Dann steht die nächste Untersuchung an und ich werde im Training die ersten Stop and Go Übungen absolvieren. Dabei werde ich sehr schnell merken, ob die Stabilität im Knie vorhanden ist oder nicht.»

Hinweis

Wir werden Leonie auf ihrem Weg zurück in den Leistungssport weiter begleiten und in regelmässigen Abständen über die Entwicklungen ihres Comebacks berichten. Du findest die Artikel hier