World Wide Aargau

«Ich muss mir jede einzelne Spielminute erkämpfen»

von Fabio Baranzini – 21. November 2024

Unihockey-Profi Noel Seiler in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Unihockeyprofi Noel Seiler (23) aus Schöftland lebt seit August in Schweden und spielt als einer von nur zwei Schweizern in der besten Liga der Welt. In unserer Serie «World Wide Aargau» gibt er Einblicke in seinen Alltag auf und neben dem Spielfeld und erzählt, was die grössten Unterschiede im Vergleich zur Schweiz sind.

Noel, du hast diesen Sommer GC verlassen und spielst neu in Schweden beim Team Thorengruppen SK. Wie hast du dich eingelebt?
Ich bin seit August fix in Schweden. Das Einleben war etwas harzig. Die ersten eineinhalb Monate lebte ich in einem Airbnb, weil mit der Wohnung etwas nicht geklappt hat. Zum Glück ist meine Freundin auch hier und begleitet mich. Das hilft natürlich sehr. Mittlerweile hat es aber auch mit der eigenen Wohnung geklappt und wir konnten uns einrichten. Es braucht aber alles etwas mehr Geduld – auch mit dem Auto und dem Internet. Die Schweden nehmen alles etwas gelassener als wir das aus der Schweiz kennen. Aber das ist eigentlich durchaus etwas Positives.

Du wohnst in der Stadt Umeå im Norden von Schweden. Wie dürfen wir uns diese Stadt vorstellen?
Umeå wird auch die Hauptstadt des Nordens genannt. Dennoch ist es eine eher kleine, gemütliche Stadt. Der Lebensstil ist etwas anders als in der Schweiz, was unter anderem auch damit zusammenhängt, dass es im Winter bis zu minus 30 Grad kalt wird und es ab 16 Uhr schon dunkel ist. Wir haben auch seit Anfang November Schnee. Trotz allem ist es eine schöne Stadt, in der es uns sehr gut gefällt.

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Was hat dich am Wechsel nach Schweden gereizt?
Die Schwedische Liga ist die beste der Welt. Mein Ziel ist es, im Unihockey so gut wie möglich zu werden. Dafür setze ich schon lange auf die Karte Unihockey und habe auch in meinen letzten beiden Jahren bei GC als Halbprofi gelebt. So gesehen war der Wechsel als Profi nach Schweden der nächste logische Schritt.

Hast du dir die Situation vor Ort vor dem Wechsel angeschaut oder war es ein Sprung ins kalte Wasser?
Es gab natürlich verschiedene Gespräche im Vorfeld und ich bin im letzten Winter einmal nach Umeå gereist, um mir den Ort anzusehen. Im letzten Sommer habe ich dann auch noch eine Woche mit dem Team trainiert, bevor ich dann tatsächlich den Vertrag für zwei Jahre unterschrieben habe.

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Hat man in der Schwedischen Liga auf den Captain der Schweizer Nationalmannschaft gewartet oder wie bist du aufgenommen worden?
Nein, man hat definitiv nicht auf mich gewartet (lacht). Das Niveau und vor allem die Dichte innerhalb der Schwedischen Teams ist enorm hoch. Das heisst für mich, dass ich mir jede einzelne Spielminute erkämpfen muss. In der Vorbereitung lief es mir super, in der Meisterschaft bin ich aber noch nicht wie gewünscht auf Touren gekommen. Für mich ist es sicher ein Vorteil, dass der frühere Schweizer Nationaltrainer David Jansson in meinem Verein Thorengruppen SK für die Taktik zuständig ist und vor meiner Ankunft etwas Werbung für mich gemacht hat. Das Team hat mich super aufgenommen. Zudem hilft es, dass mit Torhüter Lukas Genthart und Verteidigerin Linn Larsson auch noch zwei weitere Akteure aus der Schweiz für denselben Verein spielen.

Du hast angesprochen, dass das Niveau und die Dichte in Schweden höher sind. Was bedeutet das für dich? Was sind die grössten Unterschiede im Vergleich zur Schweiz?
Die Qualität in allen Teams ist höher als in der Schweiz. In praktisch allen Teams haben alle drei Blöcke dasselbe technische Niveau. Das führt dazu, dass alles viel schneller geht. Dadurch wird das Spiel noch anspruchsvoller und man hat viel weniger Zeit, um zu entscheiden. Zudem wird in Schweden viel taktischer gespielt als in der Schweiz. Ich habe deshalb sicher weniger Freiheiten, um mich auch mal auf meine Bauchgefühl zu verlassen oder einen Spielzug zu antizipieren.

Portraitbild von Unihockey-Profi Noel Seiler

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Und wie unterscheidet sich das «Drumherum» in der Schwedischen Liga von derjenigen in der Schweiz?
Der grösste Unterschied sind sicherlich die Distanzen. Mein Team muss praktisch zu jedem Auswärtsspiel mit dem Flugzeug anreisen – oftmals braucht es gar zwei Flüge. Das ist sicher ungewohnt für mich. In der Schweiz betrug die längste Anreise eineinhalb Stunden. Jetzt reisen wir praktisch immer schon am Vortag an. In Schweden hat zudem jedes Team eine eigene Arena, in der trainiert und die Matches gespielt werden. Es gibt hier keinen «Schulhaus-Hallen-Vibe», wie das in der Schweiz an gewissen Orten noch der Fall ist. Allerdings muss man sagen, dass die Zuschauerzahlen trotzdem nicht viel höher sind als in der Schweiz. Wir bewegen uns da zwischen 500 und 1000 Personen pro Spiel.

Wie sieht dein Trainingsalltag in Schweden aus?
Wir haben jeden Tag ein Mannschaftstraining, teilweise deren zwei. Zusätzlich versuche ich, noch zwei Mal pro Woche ins Gym zu gehen. Zudem haben wir pro Woche ein Spiel, das jeweils freitags, samstags oder sonntags stattfindet.

«Reich werde ich als Unihockeyspieler auch in Schweden nicht.»

Noel Seiler, Unihockey-Profi

Du konzentrierst dich voll und ganz aufs Unihockey. Kannst du von deinem Lohn als Unihockeyprofi in Schweden leben?
Ich würde hier in etwa so viel verdienen, dass ich damit das Essen, die Miete und mein Auto bezahlen kann und vielleicht 200 oder 300 Franken pro Monat zur Seite legen kann, wenn ich sparsam lebe.

Würde?
Ja, ich habe bis jetzt noch keinen Lohn ausbezahlt bekommen. Das liegt daran, dass ich mich in Schweden zuerst offiziell anmelden muss, damit ich ein Bankkonto eröffnen kann. Das hat aber bisher noch nicht geklappt. Die Höhe des Lohns ist völlig in Ordnung, aber reich werde ich als Unihockeyspieler auch in Schweden nicht. Da ich aber zudem noch Sportler der Schweizer Armee bin, habe ich noch 130 WK-Tage im Jahr, für die ich entschädigt werde. Das ist sicher auch noch eine wertvolle Unterstützung in finanzieller Hinsicht.

Seit ein paar Wochen läuft die Meisterschaft. Wie bist du mit dem Start deines Teams zufrieden?
Nach sieben Partien stehen wir in der Rangliste auf Rang neun. Das ist ok, weil wir schon gegen alle Topteams gespielt haben. Unser Ziel ist es, dass wir erstmals in der Vereinsgeschichte die Playoffs erreichen. Wenn wir es hinkriegen, dass alle unsere drei Linien performen, ist das möglich.

Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.