Jugendpartizipation
«Im Verein lernen die Jugendlichen sehr viel für ihre Zukunft»
Bild: SAJV
Für Sportvereine und Sportverbände besteht eine der grössten Herausforderungen darin, genügend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu finden. Im Interview mit Isabelle Quinche sprechen wir darüber, welches Potenzial in der jungen Generation bei der Lösung dieses Problems steckt und wie es genutzt werden kann.
Wir haben Isabelle Quinche anlässlich der Veranstaltung «7bis9» der IG Sport Aargau getroffen, an der sie als Expertin für Jugendpartizipation teilgenommen hat. Isabelle Quinche ist ehemalige Profi-Synchronschwimmerin und war in der Folge als Nachwuchschefin und Chefin Leistungssport für den Bereich Synchronschwimmen bei Swiss Aquatics tätig. Seit einigen Monaten leitet sie beim SAJV, der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, den Bereich Freiwilligenarbeit und Mitgliederorganisation.
Isabelle, viele Vereine und Verbände kämpfen damit, dass sie keine freiwilligen Helferinnen und Helfer finden für ihre Vorstände und sonstige Arbeiten im Verein. Was sind die Gründe für diesen Trend?
Die Freiwilligenarbeit hat sich verändert im Vergleich zu früher. Gerade die jüngere Generation plant nicht mehr so langfristig. Es kann sein, dass sie einem Verein nur sechs Monate oder ein Jahr zur Verfügung stehen. Diese Kurzfristigkeit erfordert ein Umdenken in den Vereinen und Verbänden und dafür ist es auch nötig, die oftmals etwas veralteten Strukturen aufzubrechen.
Kannst du etwas genauer beschreiben, was genau dieses «Umdenken» beinhaltet?
Im Vorstand sitzen oftmals ältere Männer und Frauen, die seit vielen Jahren im Verein sind. Ihnen fehlt in vielen Fällen einerseits das Verständnis für die junge Generation und ihre Bedürfnisse. Andererseits sind sie in ihren fixen Abläufen «gefangen», die sie seit vielen Jahren genau gleich umsetzen, «weil man das immer schon so gemacht hat.» Es braucht also eine Offenheit gegenüber der jungen Generation, damit man ihnen auch ein Umfeld bieten kann, in dem sie sich entfalten und einbringen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass die junge Generation bereit ist, ihren Anteil zu leisten, aber man muss sie abholen.
«Entscheidend ist, dass der ganze Verein gewillt ist, die Jugend zu integrieren.»
Welche Voraussetzungen muss ein Verein oder ein Verband denn erfüllten, damit es gelingt, die junge Generation stärker miteinzubeziehen?
Es gibt kein Patentrezept, wie man die Partizipation in einem Verein fördern kann. Entscheidend ist aber, dass der ganze Verein gewillt ist, die Jugend zu integrieren. Es bringt nichts, wenn man halbherzig versucht, eine Veränderung herbeizuführen. Und man muss sich bewusst sein, dass dies ein langer Prozess sein wird. Ein weiterer wichtiger Punkt ist zudem, dass der Vorstand bereit ist, den Jugendlichen auch wirklich Verantwortung und Kompetenzen zu übergeben. Nur so werden sie erkennen, dass sie tatsächlich etwas bewegen können mit ihrem Engagement.
Das klingt gut. Doch wie gehe ich ein solches Projekt in der Praxis an?
Auch da gibt es verschiedene Wege. Eine Möglichkeit ist es beispielsweise, einen Aufruf zu starten bei den Jungen, wer denn im Verein mithelfen möchte. Dieser Aufruf soll noch nicht mit einem bestimmten Projekt oder einer Aufgabe verbunden sein. Viel eher ist das erste Treffen als Workshop zu verstehen, bei dem sich alle einbringen können. Die Jungen sollen sagen, was ihnen im Verein gefällt, was ihnen fehlt, welche Ideen und Bedürfnisse sie haben. Aus dieser Mini-Analyse kann man anschliessend Themen rausfiltern, priorisieren und daraus kleine Projekte ins Leben rufen, die man an die Jugendlichen weitergibt.
Bild: Fabio Baranzini
Es ist also wichtig, dass die Partizipation der Jugendlichen am Anfang an Projekte gebunden ist, die über einen kürzeren Zeitraum abgeschlossen werden können?
Unbedingt. Die Jugendlichen müssen an die Vereinsarbeit herangeführt werden. Sie müssen erst lernen und verstehen, wie diese Arbeit funktioniert. Dafür sind kleinere Projekte ideal. Dabei können die Jugendlichen in kurzer Zeit wirklich etwas bewirken, wodurch sich eine positive Stimmung unter den Jungen entwickelt. So erzählen sie vielleicht auch ihren Kolleginnen und Kollegen davon, dass sie im Verein etwas Cooles umsetzen durften und motivieren diese, beim nächsten Mal auch mitzuhelfen. Auf diese Weise lernen die Jugendlichen auch sehr viel für ihre Zukunft.
Wie meinst du das?
Wenn sich Jugendliche in einem Projekt einbringen, lernen sie verschiedene Kompetenzen wie Teamwork oder Kommunikation. Sie verstehen auch die Zusammenhänge und die Aufwände besser, die hinter einem Projekt und hinter der Vereinsarbeit stehen. Wenn sie beispielsweise bei der Organisation des Trainingslagers mithelfen und möchten, dass dieses in Spanien statt in Bern stattfindet, werden sie schnell erkennen, wie viel mehr das kostet. Also müssen sie sich dann überlegen, wie man an dieses Geld herankommt. Oder wenn sie bei der Auswahl des neuen Vereinsdresses mithelfen dürfen, realisieren sie, welcher Aufwand dahintersteckt und welche Abklärungen man treffen muss. Wenn man es als Verein also schafft, den Jungen zu vermitteln, dass sie mit ihrem Engagement viel lernen können und zugleich etwas Gutes für sich und den Verein tun, dann ist das eine Win-Win-Situation.
Ist das der Schlüssel zum Erfolg?
Aus meiner Sicht schon. Wenn man den Jungen vermitteln kann, dass ihr Engagement einen Sinn hat und dass sie damit etwas bewirken können, von dem sie selbst und der Verein profitieren, dann hat man schon sehr viel richtig gemacht. Solche Erfolgserlebnisse können dazu führen, dass sich die Jungen stärker mit dem Verein identifizieren und sich weiterhin engagieren. Vielleicht auch mal in einem Vorstand.
Hinweis
Zusätzliche Informationen zu den Aktivitäten und Angeboten des Schweizerischen Dachverbandes für Jugendorganisationen SAJV im Bereich Jugendpartizipation findest du hier.