Mein Weg nach Paris

Im zweiten Anlauf solls für Michelle Heimberg klappen

von Fabio Baranzini – 14. Dezember 2023

Wasserspringerin Michelle Heimberg in Aktion

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In unserer neuen Serie «Mein Weg nach Paris» erzählen wir die Geschichte von Aargauer Sportlerinnen und Sportlern, die sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifizieren wollen. Eine davon ist Wasserspringerin Michelle Heimberg (23), die sich nach einem Rückschlag im letzten Sommer im zweiten Anlauf für die Spiele in Paris qualifizieren will.

«Die European Games in Krakau im letzten Juni waren für mich die letzte Standortbestimmung vor der WM in Japan. Wenn ich mich an der WM für das Finale der besten 12 qualifiziere, löse ich automatisch auch das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris. Das war mein grosses Saisonziel.

Die European Games begannen für mich mit der Bronzemedaille vom 3m-Brett. Beim letzten Sprung habe ich die Goldmedaille vergeben. Es lief also nicht perfekt, aber dennoch war ich zufrieden. Vor allem, weil ich danach vom 1m-Brett meinen ersten EM-Titel gewinnen konnte. Meine Form und mein Selbstvertrauen für die WM in Japan stimmten also.

Die EM-Medaillen von Michelle Heimberg

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Vor Ort in Japan war dann aber nicht mehr alles optimal. Ich fühlte mich nicht ganz wohl. Im Team gab es zu viele Nebenschauplätze, die ich nicht ausblenden konnte. Die Ablenkung war zu gross. Kam noch hinzu, dass ich am Wettkampftag selbst mit einer Mittelohrentzündung zu kämpfen hatte. Schon nach den ersten beiden Sprüngen merkte ich, dass ich nicht richtig in den Wettkampf reinfinde. Ich konnte mich danach auch nicht aus dieser Situation herausholen. So war es unmöglich, mich für den Final zu qualifizieren. Am Ende wars Rang 22 und das Aus im Halbfinale.

«Ich verspürte eine grosse Leere. Ich wusste nicht, wie das passieren konnte.»

Michelle Heimberg, Wasserspringerin

Dieses Resultat und die verpasste Olympiaqualifikation im ersten Anlauf waren im ersten Moment extrem frustrierend. Ich verspürte eine grosse Leere. Ich wusste nicht, wie das passieren konnte. Ich war das ganze Jahr über immer in den Top 8 im Weltcup und bin einige Tage vorher Europameisterin geworden. Und jetzt hat es an der WM überhaupt nicht mehr funktioniert. Ich wusste, dass ich eine Auszeit brauche. Ich nahm zwar noch am Weltcupfinal in Berlin teil, ging aber gleich im Anschluss für zwei Wochen in die Ferien.

Portraitbild von Michelle Heimberg

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Danach habe ich mit dem Saisonaufbau begonnen – viel Krafttraining, was ich gerne mache. Damit ist auch die Motivation zurückgekommen. Und ich habe begonnen, mit meinem Umfeld und meiner langjährigen Mentaltrainerin den WM-Wettkampf aufzuarbeiten und zu analysieren, was schiefgelaufen ist. In diesem Prozess habe ich gemerkt, dass das Ergebnis an der WM eine Kumulation von Ereignissen war, die es mir verunmöglicht haben, meine beste Leistung abzurufen: Die Ablenkung im Team, meine Mittelohrentzündung und dann noch der enorme Druck, den ich mir selbst auferlegt hatte. Das war zu viel.

Mir wurde aber auch klar, dass ich deswegen nicht alles über den Haufen werfen muss. Es gibt Tage, an denen es nicht läuft. Ich bin ja schliesslich kein Roboter. Und es ist halt auch nicht selbstverständlich, dass ich an jedem Wettkampf immer vorne reinspringe. Das vergisst man schnell, wenn es gut läuft – auch ich selbst.

Aus diesem WM-Wettkampf habe ich viel gelernt. Für mich ist klar, dass ich noch mehr auf mich und meinen Körper hören muss. Ich weiss am besten, was mir guttut und was nicht. Das will ich in Zukunft noch mehr berücksichtigen. Auch in den Trainings. Wenn ich merke, dass ich etwas nur mache, damit es gemacht ist, aber es mir nichts bringt, werde ich das künftig nicht mehr tun.

Michelle Heimberg auf dem Podest in Madrid

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Generell hat es in meinem Trainingsalltag einen grösseren Einschnitt gegeben. Ich habe mich vor knapp zwei Monaten von meiner Trainerin, die mich zweieinhalb Jahre lang begleitet hat, getrennt. Ich brauchte neue Inputs, einen frischen Wind. Ich glaube, dieser Wechsel tut mir gut. Der erste Wettkampf in Madrid war schon sehr vielversprechend. Ich habe mich gut gefühlt und auch das Resultat hat gepasst. Ich glaube, dass diese Veränderung viel bewirken kann.  

In den nächsten Wochen steht für mich das Training im Zentrum. Bis zur WM in Doha im Februar bestreite ich nur noch die Schweizer Meisterschaften im Januar. Das Ziel für die WM bleibt dasselbe wie im letzten Sommer: ein Finalplatz. Das ist meine zweite Chance auf das Olympiaticket. Viele haben das Gefühl, dass ich jetzt noch mehr unter Druck stehe, weil ich die erste Chance nicht nutzen konnte. Aber für mich fühlt sich das nicht so an. Denn es ist eine Situation, die ich kenne. Als ich mich für die Olympischen Spiele in Tokio qualifizieren konnte, war ich in exakt derselben Situation. Die erste WM lief überhaupt nicht nach Wunsch und ich musste mir die Teilnahme im zweiten Anlauf sichern. Genau das will ich jetzt nochmals schaffen. Dafür gebe ich jeden Tag mein Bestes, damit ich mir nicht vorwerfen muss. Ich freue mich schon jetzt auf die WM. Das ist meine Chance zu zeigen, was ich wirklich kann.»

Hinweis

Mehr spannende Einblicke von Aargauer Sportlerinnen und Sportlern, die an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen wollen, findest du in unserer Serie «Mein Weg nach Paris».