Über den Tellerrand

Langlauf boomt im Aargau auch ohne Schneetag

von Fabio Baranzini – 3. April 2020

Langläufer im Kanton Aargau

Bild: Raphael Nadler

In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit kaum Präsenz haben. Diesmal haben wir uns dem Langlaufsport angenommen, der auch im Aargau trotz einem schlechten Winter einen Aufschwung erlebt.

«Dieser Winter war einer der schlechtesten Winter überhaupt, seit in der Schweiz Langlauf-Loipen präpariert werden», sagt Willi Marti. Und er muss es wissen. Denn er ist seit mehr als 25 Jahren im Vorstand der Langlauflaufloipe Lindenberg auf dem Horben im Freiamt und im Vorstand von «Loipen Schweiz», der Dachorganisation aller 114 Deutschschweizer und Tessiner Loipen. 

In der Tat sind die Zahlen ernüchternd: Kein einziger Schneetag im Aargau. Die fünf Aargauer Loipen – auf dem Horben, in Staffelbach, in Leutwil, auf dem Bözberg und im Schenkenbergertal – hatten in diesem Winter keinen einzigen Tag geöffnet. Zum Vergleich: Im letzten Jahr hatten die Aargauer Loipen bis zu 40 Schneetage. 

«Früher wurde ich ausgelacht, wenn ich in meinem Kollegenkreis erzählte, dass ich langlaufen gehe.»

Willi Marti, Vorstandsmitglied «Loipen Schweiz»

Die Gründe für den Langlauf-Boom

Der Begeisterung für den Langlaufsport tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Der Langlaufsport erlebt in den letzten Jahren einen richtigen Boom. Auch im Aargau. «Früher wurde ich ausgelacht, wenn ich in meinem Kollegenkreis erzählte, dass ich langlaufen gehe», erinnert sich Willi Marti. «Heute ist das schlechte Zipfelmützen-Image von damals weg. Sogar Kollegen meines Sohns zeigen nun Interesse und wollen zum Langlaufen mitkommen.»

Gerade bei der jüngeren Generation liegt das Langlaufen im Trend. Was sind die Gründe dafür? «Es ist einfach eine lässige Sportart. Du bewegst dich und bist in der Natur. Zudem musst du keinen ganzen Tag aufwenden wie beim Skifahren. Du kannst auch am Morgen zwei Stunden langlaufen gehen und bist am Mittag wieder Zuhause. Kommt hinzu, dass Langlaufen einiges günstiger ist im Vergleich zum Skifahren und die Ausrüstung ist erst noch bequemer.»

Das müssten Einsteiger beachten

Für alle, die sich selber mal am Langlaufsport probieren wollen, hier eine kurze Einführung. Innerhalb des Langlaufsports gibt es zwei Diszipline: Klassisch und Skating. Vereinfacht gesagt bewegen sich die Klassisch-Langläufer immer innerhalb der präparierten Spur. Willi Marti beschreibt diese Disziplin daher als «fast wie Nordic Walking auf Langlaufskiern». Skating ist technisch etwas anspruchsvoller und dynamischer. Die Bewegungen sind vergleichbar mit Schlittschuhlaufen oder Inline-Skating. 

Langlaufloipe wird präpariert

Bild: Fabio Baranzini

Egal für welche Disziplin man sich entscheidet, Willi Marti empfiehlt für alle Neueinsteiger einen Einführungskurs. «Langlauf ist eine Sportart, die ohne richtige Technik extrem anstrengend ist. Du verschwendest locker 50 Prozent deiner Energie, wenn du die Grundtechnik nicht beherrschst. Deshalb lohnen sich zum Start zwei, drei Gruppenlektionen.» Langlaufunterricht und Schnupperkurse für Anfänger und Fortgeschrittene werden von den meisten grösseren Loipenorganisationen angeboten. Informationen dazu gibt es während der ganzen Saison auf «Langlauf.ch». Und Marti hat gleich noch einen Tipp für Einsteiger: «Kauf auf keinen Fall eine eigene Ausrüstung, bevor du nicht weisst, ob du Klassisch oder Skating machen möchtest. Und lass dich beim Kauf auf jeden Fall in einem Fachgeschäft beraten.»

Solidarisches System

Doch zurück zum Anfang: Kein einziger Schneetag im Aargau in diesem Winter – was bedeutet das für die fünf Loipen im Aargau? Führt das zu finanziellen Problemen? «Nein, das wird es nicht», sagt Willi Marti. Grund dafür ist ein ausgeklügeltes Finanz-Ausgleichssystem, das alle Mitglieder der Dachorganisation «Loipen Schweiz» mittragen. Und dieses System funktioniert wie folgt: Im Zentrum steht der Schweizer Langlaufpass. Für 140 Franken pro Jahr kann man als Sportler mit dem Langlaufpass auf jeder Loipe in der Schweiz langlaufen. Diesen Pass kaufen die Sportler zumeist bei ihrer Heim- oder Lieblingsloipe. Entsprechend erhält dieser Loipenbetreiber 95 Franken. Die anderen 45 Franken fliessen in den Ausgleichstopf. 

«Ende Saison erhalten diejenigen Loipen, die viele Schneetage hatten und gut besucht waren, einen grösseren Anteil aus dem Topf. Denn ihr Aufwand für den Unterhalt der Loipe war viel grösser», so Marti. «Die Organisationen, die nur wenige oder keine Schneetage hatten, erhalten nichts aus dem Ausgleichstopf. Sie können ihre anfallenden Kosten aber damit decken, dass sie von ihren Mitgliedern pro gekauftem Langlaufpass 95 Franken erhalten.» Ein solidarisches System, das für alle Loipenbetreiber funktioniert. Und so wird es auch im nächsten Jahr fünf Aargauer Loipenbetreiber geben, die – genau wie viele Langläuferinnen und Langläufer in unserem Kanton – auf möglichst viele Schneetage hoffen. 

Langläufer im Kanton Aargau

Bild: Raphael Nadler

Hinweis

Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.