Über den Tellerrand
«Man muss seinen Körper extrem gut unter Kontrolle haben»
Bild: Roman Härdi
In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal geht es ums Rhönrad turnen, wo der STV Untersiggenthal zu den schweizweit führenden Vereinen gehört.
Eines vorweg: Im Rhönrad wird nicht gefahren, sondern geturnt. Mit Radfahren hat die Sportart überhaupt gar nichts zu tun. Sie ist viel eher verwandt mit dem Geräte- oder Kunstturnen. Und genau darum wird eben auch Rhönrad geturnt und nicht gefahren. Kathrin Roser (25) war selbst viele Jahre aktive Rhönrad-Turnerin. Sie wurde mehrfache Schweizer Meisterin und hat die Schweiz auch an Weltmeisterschaften vertreten. Mittlerweile ist sie als Trainerin tätig, im Vorstand des Rhönrad STV Untersiggenthal und Nationaltrainerin. Wer also könnte uns besser in das Rhönrad turnen einführen als Kathrin Roser?
«Idealerweise zeigt man möglichst viele schwierige Übungen, die sich voneinander unterscheiden, und führt diese möglichst schön aus.»
So bewegt man ein Rhönrad
Beginnen wir mit dem Sportgerät selbst – dem Rhönrad. Dieses lässts ich am einfachsten als zwei Reifen beschreiben, die durch sechs Sprossen miteinander verbunden sind. Das Rhönrad gibt’s in verschiedenen Grössen – von 1,55m Durchmesser bis 2,45m. Je nach eigener Körpergrösse und Disziplin, die ausgeübt wird, variiert die Grösse des Sportgeräts. Das Gewicht des Rhönrads ist beachtlich: 40 bis 60 Kilogramm wiegt es. Die Rhönräder sind standardisiert. «Wir Rhönrad-Turnerinnen und Rhönrad-Turner haben kein eigenes Rhönrad, mit dem wir unsere Wettkämpfe bestreiten. Sondern wir geben an, welche Grösse wir benötigen und bekommen dann vom Veranstalter ein Rhönrad, mit dem wir unsere Übungen turnen», erklärt Kathrin Roser.
Bild: Roman Härdi
Soweit so gut – doch wie turnt man dann nun in oder auf diesem Rhönrad? Die Grundvoraussetzung ist, dass man das Rhönrad kontrolliert bewegen kann. «Das geschieht ausschliesslich mit dem eigenen Körpergewicht und dem Schwung. Durch die Gewichtsverlagerung kann man das Rhönrad beschleunigen oder abbremsen», so Kathrin Roser. Das alleine klingt schon schwierig, wird dann aber noch kombiniert mit den verschiedenen Turnübungen, die im und auf dem Rhönrad gezeigt werden. «Genau das fasziniert mich am Rhönrad turnen. Man muss seinen eigenen Körper extrem gut unter Kontrolle haben, denn die Komplexität und Vielfältigkeit im Rhönradsport ist hoch. Wenn man beispielsweise einen Knieumschwung am Reck kann, heisst das noch lange nicht, dass man den auch am Rhönrad kann – das macht die Sportart so spannend.»
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Die drei Rhönrad-Disziplinen
Im Rhönradsport gibt es drei verschiedene Disziplinen, Gerade, Spirale und Sprung. Unsere Expertin beschreibt die drei verschiedenen Disziplinen wie folgt:
1. Gerade: «In dieser Disziplin müssen immer beide Reifen des Rhönrads auf dem Boden sein. Entsprechend rollt das Rad gerade vom einen Rand der Halle zum anderen und wieder zurück. Insgesamt werden sechs Bahnen geturnt, wobei die Elemente entweder im Radinnern oder auch auf den Reifen oder den Sprossen geturnt werden können.»
2. Spirale: «Bei dieser Disziplin wird das Rhönrad angekippt, so dass es nur auf einem Reifen rollt. Der Neigungswinkel liegt zwischen 30 und 60 Grad. Bei der Spirale werden maximal zwölf verschiedene Elemente gezeigt, wobei zwischendurch auch vom einen auf den anderen Reifen des Rhönrads gewechselt werden kann.»
3. Sprung: «Bei dieser Disziplin wird dem Rad Schwung gegeben, damit es geradeaus losrollt. Anschliessend rennt man dem Rad hinterher und ‘bückt’ auf das Rhönrad auf. So, dass man durch die Drehung des Rads nach oben gelangt und dann im Anschluss auf dem Rad steht. Von dort oben wird ein Sprung, beispielsweise ein Salto, gemacht und auf einer dicken Matte gelandet. Es dürfen immer zwei Sprünge gemacht werden, wobei der bessere davon für die Endnote gezählt wird.»
Wertungsgericht bewertet
Nun müssen wir noch darüber sprechen, wie im Rhönrad gewertet wird. Dafür gibt es ein Wertungsgericht. Dieses beurteilt jeweils die Schwierigkeit der gezeigten Übungen, sowie die Ausführung und die Vielseitigkeit. «Idealerweise zeigt man möglichst viele schwierige Übungen, die sich voneinander unterscheiden, und führt diese möglichst schön aus. Das gibt am meisten Punkte», sagt Kathrin Roser. Bei den Wettkämpfen gibt es jeweils eine separate Wertung pro Disziplin, aber es gibt jeweils auch eine Gesamtwertung, in welche alle drei Disziplinen einfliessen. «Wer an internationalen Wettkämpfen teilnehmen will, der muss alle drei Disziplinen beherrschen.» An Turnfesten und bei Turnshows sieht man auch hin und wieder, dass zu zweit oder gar zu dritt im Rhönrad geturnt wird. Auf internationalem Parkett gibt es jedoch nur die Disziplinen Geradeturnen, Sprung und Spirale sowie der Mehrkampf, wo alle Disziplinen zusammengezählt werden.
Bild: Roman Härdi
Die Schweiz gehört zu den vier bis fünf stärksten Nationen weltweit und hat auch schon verschiedentlich WM-Titel und WM-Medaillen gewonnen. Hierzulande gibt es rund 25 Vereine, die Rhönrad-Turnen anbieten. Im Aargau sind es drei. Mit 60 aktiven Turnerinnen ist der STV Untersiggenthal der Grösste. Ebenfalls angeboten wird Rhönradturnen beim Satus Gontenschwil und beim STV Möriken-Wildegg. Dass der Aargau im Rhönrad turnen eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Tatsache, dass im Schweizer Team, welches letzten Sommer an der WM die Silbermedaille gewann, drei von vier Teilnehmenden aus dem Aargau kamen. Leonie Botta und Cheyenne Wietlisbach vom STV Untersiggenthal sowie Fabrice Schubert vom Satus Gontenschwil.
Hinweis
Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.