Ehrenamt

Mehr Aufwand, um Ehrenamtliche für den Aargauer Sport zu finden

von Fabio Baranzini – 26. Oktober 2023

Bild: Fabio Baranzini

Ohne sie geht es nicht – die unzähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die in Vereinen, Verbänden und bei Veranstaltungen mithelfen. Doch finden sich auch in Zukunft genügend Menschen, die sich engagieren wollen?

Der Schweizerische Schulsporttag, der Ende Mai in der Region Brugg/Windisch stattgefunden hat, war eine der grössten Sportveranstaltungen, die in diesem Jahr im Aargauer Sportkalender steht. An diesem sportlichen Grossanlass konnten die Verantwortlichen über 2300 Teilnehmende begrüssen, die an insgesamt vierzehn verschiedenen Standorten Wettkämpfe ausgetragen haben. 

So viele Wettkampforte und so viele Teilnehmende – das ist eine organisatorische Herausforderung. Nicht nur im Bereich der Logistik, sondern vor allem auch im Bezug auf die freiwilligen Helferinnen und Helfer. 450 Personen wurden insgesamt benötigt. Die meisten am Wettkampftag selbst. Einige bereits im Vorfeld für den Aufbau. Derart viele Helferinnen und Helfer zu rekrutieren, zu informieren und zu führen, ist eine grosse Herausforderung. Und vor allem ist es eine Herausforderung, mit der praktisch jeder Sportveranstalter zu kämpfen hat. In diesem Zusammenhang ist immer wieder zu hören, dass sich viel weniger Leute ehrenamtlich engagieren würden als früher. Aber stimmt das auch wirklich? Wir haben uns auf Spurensuche begeben.

«Ich bin überzeugt, dass es noch immer genügend Leute gibt, die sich engagieren wollen.»

Tobias Furer, Verantwortlicher J+S Kanton Aargau

Kommunikation ist entscheidend

Tobias Furer, der bei der Sektion Sport des Kantons Aargau den Bereich Jugend + Sport leitet, kennt die Problematik und beantwortet die Frage wie folgt: «Ich bin überzeugt, dass es noch immer genügend Leute gibt, die sich engagieren wollen. Das Problem ist aber, diese Leute zu finden und vor allem sie richtig anzusprechen und am richtigen Ort einzusetzen. Ein Newsletter an alle Mitglieder des Vereins zu schicken, ist weniger effektiv, als wenn ich einige Mitglieder persönlich anspreche und für eine ganz konkrete Aufgabe anfrage», sagt Furer. Auch die Zahlen aus der grossangelegten Studie «Sport Schweiz 2020» zeigen, dass es noch immer viele Leute gibt, die bereit sind, sich zu engagieren. Zum Thema freiwilliges Engagement im Sport steht in der Studie: «Jedes zweite Aktivmitglied hat sich in den letzten 12 Monaten freiwillig im Sport engagiert, in dem es ein Ehrenamt ausgeübt oder Helferdienste geleistet hat.»

Bild: Fabio Baranzini

Sind also eigentlich genügend Leute vorhanden, die sich engagieren wollen, aber die Vereine, Verbände und Veranstalter wissen nicht, wie man diese am besten für ein Projekt gewinnt? Ist es also eher ein Kommunikationsproblem und nicht ein Problem des fehlenden Engagements? Oder hat allenfalls die Coronakrise, die erst nach der Erfassung der oben genannten Zahlen aus der Studie Sport Schweiz aktuell wurde, einen Einfluss? Wir haben nachgefragt bei der Organisation «Swiss Volunteers», eine Nonprofit-Organisation, die seit 2007 eine Online-Plattform betreibt, auf der sich freiwillige Helfende für Einsätze anmelden und Veranstalter Helfende suchen können. Weit über 100 Veranstaltungen – die meisten davon aus dem Sportumfeld – wickeln jedes Jahr ihr Helfermanagement über die Plattform von «Swiss Volunteers» ab. Dazu gehörte auch der Schweizerische Schulsporttag in diesem Jahr. 

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Sinnhaftigkeit und Wertschätzung 

Geschäftsführer Mark Wirz sagt: «Es gibt noch immer genügend Leute, die sich engagieren, aber es ist mit mehr Aufwand verbunden als früher, sie für einen Einsatz zu gewinnen.» Die Gründe dafür sind vielschichtig: Einerseits sind die Anforderungen im Beruf und im familiären Umfeld in den letzten Jahren gestiegen. Andererseits hat insbesondere die Coronakrise die «Unverbindlichkeit» in der Gesellschaft akzentuiert. «Die Leute sind sehr viel kurzfristiger geworden. Kaum jemand sagt mehr drei Monate vor einem Event zu – viel eher sind es drei Wochen vorher oder noch weniger. Zudem engagieren sich die Leute kurzfristiger und nehmen viel seltener ein mehrjähriges Amt an», sagt Wirz. 

«Die Helfenden müssen wissen, was ihre Aufgabe ist und warum sie sich engagieren sollen.»

Mark Wirz, Geschäftsführer Swiss Volunteers

Diese Entwicklung erfordert ein Umdenken auf Seiten der Veranstalter, Vereine und Verbände. «Jedes Engagement braucht eine Sinnhaftigkeit. Die Helfenden müssen wissen, was ihre Aufgabe ist und warum sie sich engagieren sollen. Dafür ist eine klare Kommunikation wichtig und es braucht eine angemessene Anerkennung», sagt Wirz. Geld sei dabei nicht entscheidend. «Geld ist praktisch nie die Motivation für die Volunteers. Es geht vielmehr darum, dass man den Helfenden eine Wertschätzung entgegenbringt und ihnen auf Augenhöhe begegnet. Schliesslich sind die Volunteers oftmals die Personen, welche die Veranstaltung nach Aussen repräsentieren.»

Bild: Fabio Baranzini

Mehrere Projekte laufen

Auch bei der Sektion Sport des Kantons Aargau ist man sich der Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements für den Aargauer Sport bewusst. Und deshalb gibt es im Rahmen verschiedener Projekte Bestrebungen, das Ehrenamt zu stärken. Eines davon ist beispielsweise das «1418coach»-Projekt, das Jugendliche ab 14 Jahren zu J+S Hilfscoaches ausbildet. «Auf diese Weise wollen wir schon die Jugendlichen abholen, sie als Hilfsleiter ausbilden und so dafür sorgen, dass sie länger im Verein bleiben und sich engagieren», erklärt Tobias Furer. Diese Woche wurde bestätigt, dass das Projekt «1418coach» im Aargau weitergeführt und ausgebaut wird.  

Die Sektion Sport des Kantons Aargau steht zudem im engen Austausch mit der IG Sport Aargau. Mit mehreren gemeinsamen Projekten wird versucht, die Verbände und damit indirekt auch die Vereine und das Ehrenamt im Aargauer Sport zu stärken. Und das aus einem ganz einfachen Grund. «Die ehrenamtliche Tätigkeit ist für den Sport im Kanton Aargau extrem wertvoll. Wenn es keine Leute gibt, die Trainings leiten oder Vorstandsämter übernehmen, gibt es keine Sportvereine mehr», sagt Tobias Furer.

Bild: Fabio Baranzini