World Wide Aargau

«Mittlerweile bin ich richtig schnell geworden im Kofferpacken»

von Fabio Baranzini – 16. Mai 2023

Der Aargauer Volleyballer Leo Dillier in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Leo Dillier gehört zur Weltspitze im Beachvolleyball. In unserer Serie «World Wide Aargau» erzählt er uns, wie oft er unterwegs ist, wie er die vielen Reisen organisiert, wie er seine Profikarriere finanziert und wie die Chancen für die Olympia Qualifikation stehen.

Leo, bist vor einigen Tagen von einer längeren Reise zurückgekommen. Wo warst du im März und April unterwegs?
Wir waren fünf Wochen in Brasilien und Mexiko. Insgesamt haben wir dort drei Turniere gespielt und die Zeit dazwischen für kurze Trainingslager genutzt. Das ist wesentlich effizienter, als mehrmals zwischen der Schweiz und Südamerika hin und her zu fliegen.

Bist du immer so lange unterwegs, bevor du in die Schweiz zurückkehrst, oder war das eine Ausnahme?
Das kommt sehr stark auf den Turnierkalender an. Aktuell werden die Turnierstandorte leider erst sehr kurzfristig veröffentlicht, was die Planung erschwert. Grundsätzlich schauen wir aber schon, dass wir Turniere mit Trainingslager verbinden können – vor allem in den Monaten, in denen es in der Schweiz noch zu kalt ist, um draussen zu trainieren.

Der Aargauer Volleyballer Leo Dillier in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Wie lange bleibst du jetzt in der Schweiz vor dem nächsten Turnier?
Jetzt sind wir tatsächlich etwas mehr als einen Monat in der Schweiz, bevor wir im Juni dann wieder ein Turnier in Lettland spielen. Danach spielen wir in Kanada, danach wieder in Europa und dann geht’s weiter nach Südamerika, Asien und Australien.

Man kann also getrost sagen, dass du für deinen Sport sehr viel reist. Wer kümmert sich eigentlich um die Organisation?
Das mache ich selbst. Mein Partner Adrian Heidrich und ich machen zu Beginn der Saison eine grobe Planung mit unserem Trainer. Dabei entscheiden wir, welche Turniere wir spielen wollen, und planen anschliessend die Trainingslager darum herum. Die Flüge und Unterkünfte buchen wir dann jeweils selbst.

«Gerade nach Langstreckenflügen bin ich oftmals komplett zerstört und das erste Training am Tag drauf ist zum Vergessen.»

Leo Dillier, Beachvolleyballer

Wie sieht es mit den Kosten aus – müsst ihr die auch alle selbst stemmen oder bekommt ihr Unterstützung vom Verband oder von anderer Stelle?
Der nationale Verband übernimmt die Kosten für die Coaches und gibt uns eine finanzielle Unterstützung. Den restlichen Betrag müssen wir selbst aufbringen.

Was kostet ein Profijahr als Beachvolleyballer?
Für Sport und Reisen kommen pro Person und Jahr Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich zusammen. Etwa 40 Prozent davon kann ich mit Sponsoren abdecken, 20 Prozent über die Sporthilfe und 20 Prozent über die Spitzensportförderung der Armee. 15 Prozent übernimmt Swiss Volley und den Rest decke ich mit Hilfe von Gönnern und Familie.

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Du verbringst mehr als die Hälfte des Jahres im Ausland und spielst Turniere auf allen Kontinenten. Hast du dich schnell an diesen Lifestyle gewöhnt?
Ich reise sehr gerne und kann auch in Apartments und Hotels sehr gut schlafen. Ich brauche auch nicht viel Material. Oft reicht ein Koffer und ich habe alles dabei. Mittlerweile bin ich richtig schnell geworden im Kofferpacken. Aber es ist natürlich trotzdem anstrengend, so viel zu reisen. Gerade nach Langstreckenflügen bin ich oftmals komplett zerstört und das erste Training am Tag drauf ist zum Vergessen (lacht).

Wo hast du eigentlich deine Basis, wenn du in der Schweiz bist?
Ursprünglich komme ich aus Möhlin, wohne aber seit einigen Jahren in Aarau. Nach Aarau bin ich gekommen, weil ich hier meine Lehre als Automatiker gemacht habe. Diese habe ich 2021 abgeschlossen, danach die Spitzensport-RS besucht und seither bin ich als Profi unterwegs, wohne aber noch immer in Aarau. Ich habe mir zwar auch schon überlegt, ob ich meine Wohnung in Aarau aufgebe und einfach in einem Airbnb wohne, wenn ich in der Schweiz bin. Ich habe mich dann aber doch für die Wohnung entschieden. Ich mag es, ein eigenes Bett zu haben und «nach Hause» zu kommen. Das ist ein schönes Gefühl.

Der Aargauer Volleyballer Leo Dillier in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Trainieren wirst du aber nicht in Aarau oder?
Nein, unser Trainingszentrum liegt in Bern. Dort trainieren wir, wenn wir in der Schweiz sind, da es dort sowohl indoor wie outdoor Trainingsmöglichkeiten gibt.

Wenn wir schon beim Training sind: Wie sieht dein Alltag als Beachvolleyball-Profi aus und wie viele Trainings kommen da zusammen?
In der Pre-Saison, die wir sehr oft auf Teneriffa bestreiten, weil die Bedingungen dort perfekt sind, trainieren wir bis zu elf Mal pro Woche. Acht mal trainieren wir mit dem Ball im Sand – jeweils rund zwei Stunden. Die restlichen Trainings sind im Kraft- und Athletikbereich. Das ist auch ein Aspekt, der in unserem Sport extrem wichtig ist. Neben den Trainings kommen dann auch noch viele weitere Dinge dazu.

Zum Beispiel?
Wie sehr viele Spitzensportler achte ich genau auf meine Ernährung. Auch die Erholung spielt eine wichtige Rolle. Ich mache beispielsweise jeden Morgen und jeden Abend eine kurze Session mit Stretching- und Mobilisationsübungen. Wenn wir am Meer sind und das Wasser kalt ist, nehme ich jeweils eine kurze Abkühlung, was auch gut ist für die Regeneration. Und natürlich ist auch die mentale Komponente sehr wichtig. Beachvolleyball ist ein sehr mentaler Sport.

Beachvolleyballer Leo Dillier gewinnt das Turnier Gstaad

Bild: Adrian Knecht

Inwiefern?
Im Beachvolleyball geht es darum, das gegnerische Team zu brechen. Das gelingt am einfachsten, indem man konsequent den schwächeren Spieler anspielt, und zwar so, wie er es am wenigsten mag. Wenn du dann in einem Match merkst, dass du dieser schwächere Spieler bist, der immer angespielt wird, ist es mental eine Challenge, dagegenzuhalten. Ich habe deshalb das Mentaltraining neu auch fix in meinen Trainingsplan aufgenommen.

Schauen wir noch ein wenig in die Zukunft. In diesem Jahr hat für dich und dein Partner Adrian Heidrich die Olympiaqualifikation für Paris 2024 begonnen. Wo steht ihr da?
Im Moment sind wir das drittbeste Schweizer Team und stehen in der Weltrangliste in den Top 50. Für Paris qualifizieren sich die besten 24 Teams. Wir müssen uns also noch steigern, aber ich bin zuversichtlich, dass wir in Paris dabei sind. Momentan ist die Weltspitze im Beachvolleyball sehr eng beisammen. Das heisst mit zwei, drei guten Turnieren in Folge kann man sich in der Weltrangliste sehr stark verbessern.

Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.