Über den Tellerrand

Bike-OL: rasante Postensuche auf zwei Rädern

von Fabio Baranzini – 22. Mai 2023

Silas Hotz im Einsatz während einem Bike-OL

Bild: zur Verfügung gestellt

In unserer Serie «Über den Tellerrand» stellen wir euch Sportarten vor, die im Kanton Aargau betrieben werden, aber in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Diesmal geht es um Bike-OL.

Silas Hotz kommt aus einer richtigen Orientierungslauf-Familie. «Meine ganze Familie macht OL, seit ich denken kann», sagt er. Wenig überraschend also, dass auch er selbst schon als Kind zum OL-Sport gefunden hat. Im Gegensatz zu seiner Familie, die alle dem klassischen «Fuss-OL» frönen, hat Silas Hotz vor ein paar Jahren die Disziplin gewechselt und setzt seither auf Bike-OL. Der Grund dafür ist einfach: «Das Training auf dem Bike macht mehr Spass als zu Fuss», sagt er.

«Das Training auf dem Bike macht mehr Spass als zu Fuss.»

Silas Hotz, Bike-OL-Fahrer

Der Entscheid hat sich bezahlt gemacht. Seit diesem Jahr ist der 23-Jährige aus Schafisheim einer von schweizweit sieben A-Kaderathleten des nationalen Verbands «Swiss Orienteering». Dies nachdem er im letzten Jahr WM-Silber mit der Staffel gewonnen und an der U23-Langdistanz-WM Bronze geholt hat. Wer also kann uns besser in die Sportart «Bike-OL» einführen als Silas Hotz?

Eine OL-Bike Karte im Kartenhalter auf dem Bike

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Anhalten zum Kartenlesen

Beginnen wir bei den Basics. Die sind wenig überraschend praktisch identisch mit dem «normalen» Orientierungslauf. Man erhält eine Karte, auf der Posten eingezeichnet sind, die man dann in einer bestimmten Reihenfolge anfahren muss. Wer am schnellsten im Ziel ist, der gewinnt. Soweit so klar. Doch bereits bei der Karte, genauer beim Kartenlesen, gibt’s einen Unterschied zum herkömmlichen Orientierungslauf. «Wir haben einen Kartenhalter auf dem Lenker, weil wir beide Hände brauchen zum Biken», erklärt Hotz und fügt an. «Zudem ist es eine grosse Challenge, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um die Karte zu lesen.» Dies aus einem einfachen Grund: Auf dem Bike ist man deutlich schneller unterwegs als zu Fuss. Entsprechend ist das Risiko grösser, wenn man unterwegs auf die Karte schaut und nicht auf den Weg. «Es kommt daher je nach Gelände immer wieder vor, dass auch Elite Athletinnen und Athleten kurz anhalten müssen, um die Karte zu lesen. Generell haben wir aber weniger und kürzere Kontakte mit der Karte als das im klassischen OL der Fall ist.»

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Abkürzungen sind ein Risiko

Im Bike-OL gibt es dafür weniger Routenoptionen. Denn zumeist sind die OL-Bikerinnen und OL-Biker auf den Waldwegen und Trails unterwegs. Einerseits, weil es in vielen Ländern verboten ist, mit dem Bike abseits der Wege zu fahren, und andererseits, weil man auf den Wegen deutlich schneller fahren kann. «Eine Abkürzung quer durch den Wald zu nehmen, ist immer ein grosses Risiko. Denn wenn du mit dem Bike hängen bleibst, verlierst du extrem viel Zeit», erklärt Hotz. Bezüglich der Bikes, welche die Athletinnen und Athleten verwenden, gibt es nur eine Vorgabe: Es muss ein Bike mit Kettenantrieb sein. Alles andere darf man frei wählen. Praktisch alle setzen aber auf herkömmliche Mountainbikes – entweder auf ein Hardtail oder wie Silas Hotz auf das etwas schwerere Fully.
Die Diszipline des Bike-OL decken sich mit denjenigen des klassischen OL. Es gibt Sprint-, Mittel- und Langdistanz-Rennen, sowie die Staffel-Wettkämpfe. Zusätzlich gibt es aber noch eine weitere Disziplin, die es nur im Bike-OL gibt: den Massenstart. Dort starten – wie es der Name schon sagt – alle Athletinnen und Athleten zeitgleich.

Silas Hotz im Einsatz während einem Bike-OL

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Kaum OL-Bike-Vereine

Die OL-Bike-Szene in der Schweiz ist vergleichsweise klein. Es gibt ein paar 100 Athletinnen und Athleten, die an Rennen teilnehmen. Rund die Hälfte davon sind keine Bike-OL-Spezialistinnen und Spezialisten, sondern Fuss-OL-Läuferinnen und Läufer, die sich hin und wieder am Bike-OL versuchen, schätzt Silas Hotz. Es gibt auch nicht viele Rennen in der Schweiz. «Normalerweise sind es drei bis fünf Rennen, in diesem Jahr leider sogar nur zwei. Das ist schon extrem wenig», bedauert Hotz, der die meisten Renneinsätze im Ausland bestreitet.
Angesichts dessen erstaunt es auch nicht, dass es in der Schweiz kaum reine Bike-OL-Vereine gibt. In den meisten Fällen ist Bike-OL eine Untersektion in einem normalen OL-Verein. Im Aargau gibt es zwei grössere Vereine, die Bike-OL anbieten. OLC Cordoba in der Region Brugg, Baden, Zurzach und OLK Argus in der Region Lenzburg/Seetal.

Die Vorteile einer kleinen Szene

Entsprechend ist es auch nicht einfach, an Informationen und Kontakte zu kommen, um in die Sportart einzusteigen und regelmässig zu trainieren. Silas Hotz absolviert denn auch den grössten Teil seiner Trainings alleine. Für die Athletiktrainings hat er sich dem «Fuss-OL-Kader» angeschlossen. Die Trainingseinheiten, in denen er mit Karte trainiert, bestreitet er im Nationalkader.
Dass die Schweizer Bike-OL-Szene derart klein ist, hat aber auch seinen Charme. Wo sonst kann man, wenn man als kompletter Neuling eine Einstiegsmöglichkeit in den Sport sucht, direkt einen Nationalkader-Athleten ansprechen und um Rat fragen? «Unsere Sportart ist so klein, dass jeder jeden kennt. Wir freuen uns über alle, die Interesse haben an unserem Sport und helfen gerne weiter, wenn jemand einsteigen will – einfach fragen!», bietet Silas Hotz seine Hilfe an.

Hinweis

Weitere spannende Beiträge aus unserer Rubrik «Über den Tellerrand», in der wir unbekannte Sportarten vorstellen, die im Kanton Aargau ausgeübt werden, findest du hier.