Special Award

Sabine Eichenberger wie ein Fels in der Brandung

von Rainer Sommerhalder – 24. März 2019

Kanutin Sabine Eichenberger verlässt das Wasser mit ihrem Kanu

Bild: Rainer Sommerhalder

Die Kanutin Sabine Eichenberger erhält an der Sport-Gala den Special Award Leistungssport. Die 50-jährige Athletin ist nicht nur im Aargauer Sport einzigartig.

Zum Abschied kam sogar das Schweizer Fernsehen ins abgelegene Muotatal. Eine Kamera fing den Moment ein, als Sabine Eichenberger ihr Kanu aus dem reissenden Wasser zog und mit ihrem Arbeitsgerät das steile Bord im Zielgelände der Weltmeisterschaftsstrecke hinaufkraxelte. Im Juni 2018 bestritt die Bruggerin ihre 17. und zugleich letzte WM. Zu Hause in der Schweiz. «Ein cooler Abschluss», wie sie selber sagte.

Das damalige Interview fürs Schweizer Fernsehen bot ein perfektes Abbild der Athletin Sabine Eichenberger. Sollten da nach einer im Schweizer Sport einzigartigen 30-jährigen Leistungskarriere irgendwo Emotionen gewesen sein, sie behielt diese gekonnt für sich. Keine Tränen, kein strahlendes Lachen. Eichenberger war alles andere als ein Glamour-Girl des Schweizer Sports. Vielmehr ein Fels in der Brandung. Ihr Element war das wilde Wasser, ihr Wesen ein Abbild der Natur, in der sie sich bewegte.

Wettkämpfe auch nach dem Rücktritt

Typisch für Sabine Eichenberger ist aber auch diese Geschichte: Was war das Erste, was die langjährige Finanzverwalterin der Gemeinde Riniken nach ihrem Rücktritt tat? Sie reiste nach Ungarn an eine Weltmeisterschaft – im Drachenboot-Rennen. Selbstverständlich als Athletin. Im Oktober folgte ein Abstecher zum Weltcup nach China. Sie kann es nicht lassen. Immerhin in Nuancen anders als zuvor: «Ich gehe jetzt nicht mehr unbedingt der Rennen wegen an die Wettkämpfe, sondern aufgrund des grossen Umfelds, das ich mir über all die Jahre geschaffen habe und das ich sehr schätze.» Mit ihren früheren Klubkollegen aus dem deutschen Heilbronn, als sie neben den Wildwasser-Abfahrten auch noch Kanu-Regatten bestritt, reiste sie an diese Drachenboot-WM. Immerhin verspricht Eichenberger für die Zukunft: «Ich werde sicher punktuell Wettkämpfe auslassen.»

«Ich gehe jetzt nicht mehr unbedingt der Rennen wegen an die Wettkämpfe, sondern aufgrund des grossen Umfelds, das ich mir über all die Jahre geschaffen habe und das ich sehr schätze.»

Sabine Eichenberger, Kanutin und Gewinnerin des Special Award

Und sie geniesst es, nicht mehr gezielt auf einen Grossanlass hinarbeiten zu müssen. Ohne schlechtes Gewissen auch mal einen Abend zu Hause auf dem Sofa zu verbringen. Dennoch bleibt ihr Trainingsaufwand beachtlich. Vier- bis fünfmal in der Woche treibt Sabine Eichenberger Sport. «Wer 30 Jahre lang praktisch täglich trainiert hat, sollte nicht einfach damit aufhören», sagt sie. Als Ausgleich zu ihrem Bürojob sei das Training quasi Erholung. «Nur: Meine Runde auf der Aare dauert jetzt etwas länger als früher.»

Die Natur als grösste Motivation

Sabine Eichenberger war nicht nur eine einzigartige Athletin, sie engagierte sich auch ausserhalb des wilden Wassers für ihren Sport. Nach ihrem ersten Rücktritt 2008 betreute sie während dreier Jahre die Schweizer Junioren-Nationalmannschaft. Im heimischen Kanuclub Brugg führte sie die Kasse, leitete Trainings und organisierte den Wintercup, auch heuer wieder Mitte Februar. Mehr als 15 Jahre lang erteilte sie zudem in Brugg den Schulsport Kanu.

Die grösste Motivation für ihr Wirken war stets die Natur. Und sie selber mittendrin die Ruhe selbst. Auch im Rückblick auf ihr Karriere. Nur einmal wird sie ganz kurz ein wenig emotional. Als sie erklärt, wieso es zuletzt im Muotatal im Einzelrennen nicht mehr zur erhofften Medaille gereicht hat. Punkto Kraft sei sie bis zuletzt konkurrenzfähig gewesen. Doch an einem anderen Ort spürte sie tatsächlich das Alter: «Ich habe gemerkt, dass ich auf der Strecke immer öfter einen Hauch zu spät reagierte. Und im Kanusport können Zentimeter entscheiden.» Die nachlassende Reaktionsgeschwindigkeit sei wohl ihr Tribut ans Alter gewesen. «Glauben Sie mir, ich habe im letzten Jahr deswegen im Training manchmal fast eine Krise geschoben.» Bei ihr ist das tatsächlich schwer zu glauben.

Der Special Award Leistungssport

Die Vereinigung Aargauer Sportjournalisten (VASJ) hat die Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft (IG) Sport Aargau und der Sektion Sport des kantonalen Departementes BKS intensiviert. Aus dem Preis für besondere Verdienste im Sport ist der Special Award Leistungssport geworden. Neu können auch Aargauer Spitzensportler zum Abschluss ihrer Karriere für ihre gesamte Laufbahn geehrt werden. Bei der Premiere des Special Award wählten die Aargauer Sportjournalisten und die Aargauer Sportverbände übereinstimmend die Kanutin Sabine Eichenberger an die Spitze. Dieselbe Entscheidung fällte das Wahlgremium mit zwei Vertretern der VASJ, der IG Sport Aargau und der Sektion Sport.