Sport Forum Aargau

«Sportler tun nicht das, was alle anderen tun»

von Muriel Fiechter Oberholzer – 25. Oktober 2024

Bild: Fabio Baranzini

Das SPORT Forum Aargau lud in der Ausgabe 2024 zum Thema «Sport & Kreativität – vom Wert des Querdenkens» ein. Der Abend startete mit einem olympischen Marathon, führte das Publikum quer durch die USA und in die Tiefen der Mentalmagie. Zum Schluss ging die kreative Reise in die Welt der Biologie, in welcher der bekannte österreichische Genetiker Prof. Dr. Markus Hengstschläger die Frage stellte, warum Lionel Messi kicken kann und er nicht.  

Entweder du hast es – oder du hast es nicht – gemäss Dr. Markus Hengstschläger eine weit verbreitete Ansicht, die er die «genetische Ausrede» nennt. «Warum sitze ich auf dem Sofa und sehe Lionel Messi beim Fussballspielen zu? Warum ist es nicht umgekehrt?», fragte der 56-jährige Österreicher, der nach 2017 zum zweiten Mal am SPORT Forum Aargau auftrat, in seinem spannenden Referat. Ein Talent, eine Begabung sei nichts anderes als ein Potential, das in einem Menschen stecke. Wenn es nicht entdeckt und gefördert werde und wenn man nicht bereit sei zu üben, dann käme dabei nichts raus. «Gene sind maximal Bleistift und Papier – die Geschichte muss jede und jeder selber schreiben.»

Bild: Fabio Baranzini

Sportler sind jene Person, die andere Wege geht

Kreativität und Querdenken seien Themen, bei denen sich die Menschen oft schwertäten. «Wir haben die Tendenz, Probleme eines Kleinkindes zu lösen, ohne es dabei zu ermutigen, selber eine Lösung zu finden.» Mit einem bildlichen Beispiel erklärte er die Kraft des Querdenkens. «Wenn 20 Leute genau in der Mitte einer Halle auf einen unvorhersehbaren Ball warten und sie hereinkommen, haben sie zwei Möglichkeiten», führte er aus, «entweder sie stellen sich zu den 20 anderen Personen dazu und fühlen sich sicher, weil sie das machen, was alle machen. Oder sie entscheiden sich einmal dafür, eine andere Position in dieser Halle einzunehmen. Das Ziel ist doch eigentlich die Wahrscheinlichkeit, den Ball zu fangen, zu steigern. Sportler sind oft diese eine Person.»

Hengstschläger teilte die Welt in blauäugige Optimisten, eingefleischte Pessimisten und Possibilisten. «Possibilisten glauben an die Möglichkeit. Wer Lösungen sucht, der kann sie finden, und er kann dabei auch Lösungen finden, die er gar nie gesucht hat.» Er könne nicht garantieren, dass mit Kreativität alles gefunden werde, was man sucht, schloss Hengstschläger sein Referat ab und fügte an: «Aber ich kann Ihnen garantieren, dass wir nichts finden, wenn wir uns gar nicht bewegen.»

Bild: Fabio Baranzini

Zähneputzend quer durch die USA

Viel bewegt sich Extremsportlerin Isabelle Pulver. Die 54-jährige Zürcherin ist Weltmeisterin im Ultracycling und erzählte von ihren drei Teilnahmen am Race Across America (RAAM), dem härtesten Radrennen der Welt. 4900 km von der West- an die Ostküste, 52’000 Höhenmeter, 12 US-Bundesstaaten und vier Zeitzonen schaffte Pulver 2023 in 9 Tagen, 11 Stunden und sechs Minuten. Sie erlaubte sich 90 bis 120 Minuten Schlaf täglich und erreichte deshalb das Ziel in Annapolis schneller als die gesamte männliche Konkurrenz. «In meinem Beruf als Physiotherapeutin arbeite ich viel mit Menschen im Rollstuhl. Von ihnen verlange ich stets, dass sie an ihre Grenzen gehen. Deshalb habe ich mich gefragt, wo denn meine Grenzen liegen.»

Isabelle Pulver hat beim RAAM ein Team von 9 Personen dabei, die sie während des Rennens unterstützen. Sie halten die Zürcherin auch wach, wenn sie müde wird: sie geben ihr die Zahnbürste raus, damit sie auf dem Rad die Zähne putzen kann, sie lesen ihr aus Whatsapp etwas vor, spielen mit ihr ABC SRF 3 oder geben ihr Nahrung raus, denn die Zürcherin ernährt sich während des Rennens nur in flüssiger Form. «2023 hat mir auch Singen geholfen, wach zu bleiben. Meine Playlist mit Songs von Trauffer war aber nicht besonders lang und mit der Zeit hat es das Team wohl genervt, immer dieselben Lieder zu hören», schmunzelt sie.

Bild: Fabio Baranzini

Kyburz’ Verwandlung vom Subaru Forrester zum Ferrari

Matthias Kyburz nahm das Publikum mit auf seine Reise vom OL zum olympischen Marathon. Innert weniger Monate verwandelte sich der achtfache OL-Weltmeister vom «Subaru Forrester zum Ferrari», wie er einen Titel der Aargauer Zeitung zitierte. «Im Gegensatz zum Orientierungslauf, wo einzig der Rang wichtig ist, fand ich es spannend, einen Sport auszuüben, bei welchem die Zeiten wie Limiten oder Rekorde extrem wichtig sind», so Kyburz, «diese Idee schwirrt mir schon seit 10 Jahren im Kopf herum.» Durch die Geburt seiner Tochter Anfang Jahr wurde Kyburz zum Querdenker. «Ich wollte mehr Zeit mit der Familie verbringen. Im OL habe ich einen Anfahrtsweg, bis ich im Wald bin. Im dümmsten Fall nimmt das drei oder vier Stunden in Anspruch für eine Stunde physisches Training. Als Marathon-Läufer ziehe ich die Schuhe an, gehe eine Stunde rennen und bin nach einer Stunde wieder zurück.»

2 Stunden, 08 Minuten, 10 Sekunden – das war von nun an die Zeit, die Matthias Kyburz begleiten sollte. «In der Schweiz haben bisher einzig Tadesse Abraham und Viktor Röthlin diese Zeit geschafft – und jetzt kommt der Kyburz und will das gleich bei seinem Debüt erreichen», erinnert sich der Fricktaler. Innert weniger Wochen und mit Hilfe von Coach Viktor Röthlin wandelte sich Kyburz vom OL- zum Marathon-Läufer. Sein Debüt gab er im April 2024 in Paris und schaffte in 2:07:44 Stunden auf Anhieb die Olympia-Limite.  Den olympischen Marathon im August in Paris bezeichnete der in Bern lebende Aargauer als die grösste und längste Party seines Lebens. «42 Kilometer lang war die Stimmung gigantisch, es war so laut, dass ich meine eigene Atmung nicht mehr hören konnte.» Kyburz lief an jenem Tag als 30. ins Ziel – 238 Tage nach seinem ersten Marathon-Training. Er kündigte zudem an, dass er 2025 doppelspurig unterwegs sein werde. «Ich werde im Frühling noch einmal einen Marathon laufen um festzustellen, ob es noch etwas schneller geht und mich danach auf die OL-WM in Finnland konzentrieren.»

Die schönsten Bilder des SPORT Forum Aargau 2024

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Olympia-Talk mit fast komplettem Aargauer Medaillensatz

Die Organisatoren des SPORT Forum Aargau brachten dieses Jahr fast einen kompletten Medaillensatz aus Paris auf die Bühne. Olympiasiegerin Chiara Leone (Schiessen), Paralympics-Bronzemedaillengewinnerin Ilaria Renggli (Rollstuhlbadminton) und Aline Seitz (Bahnradsport) standen Moderatorin Karin Zimmermann-Leuppi im Olympiatalk Red’ und Antwort und berichteten von ihren verschiedenen olympischen und paralympischen Erlebnissen. Zudem verblüffte der deutsche Mentalmagier Christoph Kuch das Publikum mit einer Mischung aus Illusion, Gedankenlesen und Magie. Er erriet eine Zahl, die ein Zuschauer aufgeschrieben hatte, erschuf eine Verbindung zwischen zwei wildfremden Personen aus dem Publikum und liess die eine Person spüren, wo er die andere mit der Feder berührt hatte.

Das OK der IG Sport um Präsident Jörg Sennrich und Geschäftsführer Basil Gmür bietet auch im nächsten Jahr einen spannenden Vortragsabend rund um den Sport an. «Sport und Wandel – erkennen, was die Welt zusammenhält» findet am 23. Oktober 2025 statt. 

 

Die Gäste des SPORT Forum Aargau nehmen auf dem «aargauersport.ch»-Sofa Platz

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SPORT Forum Aargau 2024

Das SPORT Forum Aargau findet am 23. Oktober 2025 zum nächsten Mal statt. Dann unter dem Motto «Sport und Wandel – erkennen, was die Welt zusammenhält». Tickets können bereits jetzt bestellt werden unter www.sportforumaargau.ch