World Wide Aargau

«Trainingsfreie Tage gibt es eigentlich nicht»

von Fabio Baranzini – 5. April 2024

Die Aargauer Triathletin Nora Gmür in Aktion

Bild: zur Verfügung gestellt

Triathletin Nora Gmür (22)  lebt seit einem Jahr in Leeds, da sie dort optimale Trainingsbedingungen vorfindet. In unserer Serie «World Wide Aargau» gibt sie uns Einblicke in ihren Trainingsalltag und erzählt, wie sie ihre Karriere als Profi-Triathletin organisiert und finanziert.  

Nora, du lebst und trainierst seit April 2023 in England, genauer in Leeds. Wie hast du dich eingelebt? 
Sehr gut. Es gefällt mir sehr hier. Es war schon immer ein Traum von mir, einmal länger im Ausland zu leben und eine neue Kultur kennenzulernen. Das kann ich jetzt machen und dazu erst noch mein Englisch verbessern.  

Trotzdem bist du ja nicht wegen der Sprache und der Kultur nach England gezogen, sondern wegen des Sports. Was waren die Gründe, die dich zu einem Wechsel des Wohn- und Trainingsstandorts gebracht haben? 
In der Schweiz habe ich die Schwimmtrainings jeweils in Aarau beim SC Aarefisch absolviert. Die Laufeinheiten und die Trainings auf dem Velo dagegen stets individuell für mich allein. Das hat ganz ordentlich funktioniert, aber ich hätte mir gewünscht, dass ich alle meine Trainings kompakt am selben Ort absolvieren kann und idealerweise auch in einer Gruppe mit anderen Triathletinnen und Triathleten. Über meinen früheren Trainer, der Schotte ist, kam der Kontakt nach Leeds zu Stande. Ich habe dort dann ein paar Trainingslager absolviert und es hat mir von Anfang an sehr gut gefallen. Diese einmalige Chance in einem solchen Umfeld rund um Topathletinnen zu trainieren, musste ich wahrnehmen. Zudem war es für mich ein Ausbruch aus der Komfortzone, um mich auch auf der persönlichen Ebene weiterzuentwickeln. 

«Seit ich in Leeds bin, trainiere ich deutlich mehr als früher. Vor allem im Ausdauerbereich sind die Trainingsumfänge viel grösser geworden.»

Nora Gmür, Triathlon-Profi

Wie sieht dein Trainingsalltag in Leeds aus? 
Ich habe fünf Schwimmtrainings pro Woche, die jeweils um 8 Uhr morgens stattfinden. Zwei davon sind sogenannte Schlüsseleinheiten, wo nicht einfach nur Ausdauer trainiert wird, sondern intensive Intervalleinheiten. Zusätzlich habe ich sechs Laufeinheiten, wovon auch wieder deren zwei sehr intensiv sind. Dasselbe Spiel beim Radfahren. Auch hier habe ich fünf Trainings und zwei davon sind Intervalleinheiten. Zusätzlich absolviere ich noch zwei Krafteinheiten pro Woche.  

Wenn ich das richtig mitgezählt habe, sind das 18 Trainingseinheiten. Selbst wenn du zwei Trainings pro Tag machst, reicht das nicht.  
Ja, das stimmt. Ich trainiere sieben Tage die Woche zwei bis drei Mal.  

Und was ist mit Ruhetagen? 
Wir haben zwei Erholungstage. Das sind der Montag und der Freitag. Dort stehen nur zwei lockere Trainings auf dem Programm.  

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Keine freien Tage? 
Nein, trainingsfreie Tage gibt es eigentlich nicht. Ich achte darauf, dass ich stets gesund esse und viel schlafe. Zudem gehe ich einmal pro Woche in die Massage. So kann ich mich gut erholen.  

Hast du in der Schweiz auch schon so hart trainiert? 
Nein, seit ich in Leeds bin, trainiere ich deutlich mehr als früher. Vor allem im Ausdauerbereich sind die Trainingsumfänge viel grösser geworden. Und ich habe hier einen viel strukturierteren Trainingsplan und trainiere immer in der Gruppe. Das ist sicherlich ein Vorteil, gerade bei den Intervalltrainings.  

Wer gehört denn zu deiner Trainingsgruppe? 
Ich trainiere in der Gruppe der beiden sehr erfolgreichen, britischen Triathleten Alistair und Jonathan Brownlee. Ebenfalls mit dabei ist die aktuelle Frauenweltmeisterin Beth Potter aus Schottland. Ich habe also in fast jedem Training den direkten Vergleich zur absoluten Weltspitze. Das ist natürlich auch ein grosser Vorteil im Vergleich zur Schweiz.  

Und wo stehst du im Vergleich zu Beth Potter? 
Mittlerweile kann ich die eine oder andere Intervalleinheit gemeinsam mit ihr absolvieren und mithalten. Das war am Anfang noch nicht so. Ich komme ihr also Schritt für Schritt näher. In den langen Ausdauertrainings kann ich gut mithalten, aber in den Intervallen ist sie noch stärker.  

Triathletin Nora Gmür im Training

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Wenn du nach deinem ersten Jahr ein Fazit ziehst – hat sich der Wechsel nach Leeds gelohnt?
Ja, auf jeden Fall. Die Trainings machen mega Spass und ich bin praktisch jeden Tag motiviert für die Einheiten. Es braucht sicherlich noch etwas Zeit, bis sich der Wechsel auch in den Resultaten widerspiegelt, aber mir gefällt es hier sehr, sehr gut.

Wie planst du eigentlich deine Wettkämpfe?
Das mache ich jeweils vor der Saison gemeinsam mit meinem Trainer. Wir bestimmen dabei als erstes die Highlights, schauen dann dass wir vor jedem Highlight ein paar Vorbereitungswettkämpfe haben und dazwischen Trainingsblöcke einbauen. Im letzten Jahr habe ich beispielsweise insgesamt an 13 Wettkämpfen teilgenommen. Die meisten davon in Europa, aber ich war auch in Marokko und Brasilien am Start.

Die Reisen und Unterkünfte organisierst du jeweils selbst?
Ja, bei ungefähr der Hälfte der Rennen organisiere ich das selbst. Der Schweizer Triathlon Verband übernimmt die Organisation der Reisen und die Kosten, wenn ich an den World Cup Series Wettkämpfen oder an internationalen Titelkämpfen wie der EM oder der WM teilnehme. Alle anderen Wettkämpfe muss ich selbst organisieren und auch selbst bezahlen. Genauso wie auch die Trainings und das Material.

Triathletin Nora Gmür im Training

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Wie viel kostet dich eine Saison als Triathlon-Profi?
Mit Kosten für die Trainings, Trainingslager, Reisen, Hotels und Material wohl etwa 50’000 bis 60’000 Franken. Wobei der grösste Kostenpunkt die Reisen und mein WG-Zimmer in Leeds sind.

Wie finanzierst du deine Profikarriere?
Die grössten Einnahmen bekomme ich von der Sporthilfe, von der Armee, wo ich die Spitzensport RS absolviert habe, und über meine Sponsoren, die ich gemeinsam mit meiner Familie suche und betreue. Ein ganz kleiner Teil kommt auch noch übers Preisgeld dazu, aber das alleine würde niemals reichen.

Welches sind die Ziele, die du dir gesteckt hast für die laufende Saison?
Mein Traumziel sind weiterhin die Olympischen Spiele in Paris. Allerdings wird es sehr schwierig für mich. Ich müsste in den World Cup Serie Rennen zwei Mal in die Top 8 laufen. Bislang ist ein 26. Rang mein bestes Resultat. Sollte es mit Paris nicht klappen, wäre das aber kein Weltuntergang. Ich bin ja dann erst 23 Jahre alt. Zudem stehen nächstes Jahr meine letzten U23 EM- und WM-Rennen an, wo ich um die Medaillen mitkämpfen möchte.

Hinweis

In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.