World Wide Aargau
«Um meinen Traum zu verwirklichen, musste ich ins Ausland»
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Der 24-jährige Jeremy To’a aus Hausen ist der ersten in der Schweiz geborene Rugby-Spieler, der als Profi im Ausland engagiert ist. Aktuell spielt der Aargauer mit samoanischen Wurzeln in der zweithöchsten Englischen Liga für den Ampthill & District Community Rugby Club. Im Rahmen der Serie «World Wide Aargau» gibt er Einblicke in sein Leben als Rugby-Profi.
Jeremy, du hast beim Rugby Club Würenlos deine Karriere lanciert und hast dann mit 19 Jahren den Wechsel nach Frankreich zu US Oyonnax geschafft. Wie gelang dir der Wechsel aus der Schweiz, wo Rugby ganz klar zu den Randsportarten zählt, nach Frankreich, das zu den besten Rugby-Nationen der Welt gehört?
Für mich war klar, dass ich Profi Rugbyspieler werden möchte. In der Schweiz war das aber nicht möglich. Als ich 2016 den Wechsel gewagt habe, gab es in der Schweiz kein einziges Team, das Profis oder Halbprofis engagierte. Also war für mich klar, dass ich ins Ausland muss, um meinen Traum zu verwirklichen. Mit Hilfe des Schweizer Verbandes konnte ich bei drei Vereinen in Frankreich ein Probetraining organisieren.
Und bei US Oyonnax hats geklappt.
Alle drei Vereine wollten mich haben (lacht). Aber ich habe mich dann für US Oyonnax entschieden. Oyonnax ist ein kleines Städtchen, in dem Rugby ganz klar die Sportart Nummer eins ist. Ich habe dort drei Jahre gespielt und nebenbei noch eine Schule besucht. Das war richtig cool. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Unsere Mannschaft war wie eine Familie – gerade auch mit den anderen Spielern aus dem Ausland habe ich mich sehr gut verstanden. Ich pflege noch heute gute Kontakte zu ihnen.
Mittlerweile spielst du nicht mehr in Frankreich, sondern in England. Wie kam es dazu?
2019 hatte ich die Chance, nach England zu Sale FC zu wechseln. Ich hatte dort einen kombinierten Vertrag, so dass ich mit der ersten Mannschaft Sale Sharks trainieren durfte, die in der höchsten Englischen Liga spielt. Die Meisterschaft bestritt ich dann aber mit dem Partnerteam Sale FC in der dritten Liga. Das war für mich ein guter Deal, denn so konnte ich mich an die erste Liga herantasten. Nach einer Saison habe ich zum Ampthill & District Community Rugby Club gewechselt, wo ich nun in der zweithöchsten Liga spiele.
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Lass uns ein wenig teilhaben daran, wie dein Leben als Rugbyprofi in Ampthill aussieht.
In Ampthill hat Rugby einen sehr hohen Stellenwert. Der Verein hat eine der grössten Jugendabteilungen des Landes und hat auch sonst sehr viele Vereinsmitglieder. Entsprechend sind auch immer viele Zuschauer bei den Heimspielen – ausser natürlich jetzt gerade wegen Corona. Ich selber wohne etwa 20 Autominuten ausserhalb von Ampthill in einem Haus, das ich mir mit drei Teamkollegen teile. Das ist echt super.
Wie sieht dein Trainingsalltag aus?
Wegen Corona ist im Moment alles ein weniger anders. Ich trainiere sehr oft alleine im Kraftraum. Zusätzlich haben wir drei Mannschaftstrainings pro Woche, wo wir vor allem viel Videoanalyse machen und taktische Dinge trainieren. Im Moment kann ich da aber nicht richtig mittun.
Warum?
Ich habe mich in einem Meisterschaftsspiel am Knie verletzt und muss mich nun wohl operieren lassen. Darum kann ich im Moment nicht viel anderes tun, als im Kraftraum arbeiten, ein paar Physioübungen machen und Pässe auf einem Bein werfen. Ich werde wohl erst ab Juli oder August wieder voll einsteigen können.
«Auf dem Spielfeld geben wir uns 80 Minuten «auf die Fresse» und danach essen wir gemeinsam am Tisch und sprechen über das Spiel.»
Du hast vorhin erzählt, dass Rugby in Ampthill einen sehr hohen Stellenwert hat. Wie zeigt sich das? Wirst du da auf der Strasse von den Leuten erkannt?
Nein, das ist bei mir noch nicht der Fall. Ich bin ja auch erst seit Kurzem hier und wegen Corona hatten wir noch nicht so viel Kontakt mit den Fans. Aber die Spieler, die schon länger hier sind, werden sicher erkannt. Hier in Ampthill – und auch generell in England – sieht man viele Kinder Rugbybälle werfen. Und auch in den öffentlichen Parks gibt es Rugbygoals. Das sieht man in der Schweiz nirgends. Aber hier ist das ganz normal. Das ist natürlich cool, denn Rugby ist ein richtig toller Sport, der dich auch im Leben weiterbringt.
Wie meinst du das?
Einerseits geht es im Rugby hart zu und her. Es braucht daher Mut und Selbstvertrauen. Andererseits ist Rugby auch ein extremer Teamsport. Alleine kannst du praktisch nichts erreichen. Du musst dich immer auf dein Team verlassen können. Entsprechend sind Teamgeist und vor allem auch Respekt sehr wichtige Werte im Rugbysport. Das zeigt sich auch daran, dass Schiedsrichter-Entscheide praktisch nie angezweifelt werden. Ganz anders als beispielsweise im Fussball. Und natürlich darf auch das gemeinsame Essen nach dem Spiel nicht fehlen.
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Gibt es diese Tradition auch bei den Profis oder wird das nur im Amateurbereich gelebt?
Nein, nein, das gibt es auch bei den Profis. Das wird in allen Ligen weltweit so gehandhabt und auch bei den Länderspielen. Das Heimteam ist immer verantwortlich für die Verpflegung der Gäste. Das gehört dazu. Auf dem Spielfeld geben wir uns 80 Minuten «auf die Fresse» und danach essen wir gemeinsam am Tisch und sprechen über das Spiel. Das ist Teil unseres Sports. Das gefällt mir extrem gut und deshalb werde ich so lange Rugby spielen, wie nur irgendwie möglich. Auch nach meiner Profikarriere.
Soweit ist es ja noch nicht. Mit 24 Jahren hast du noch viele Profijahre vor dir. Welche sportlichen Ziele hast du dir gesteckt?
Eigentlich habe ich meinen Traum schon verwirklicht. Ich kann vom Rugby leben und jeden Tag das machen, was ich am liebsten tue. Das ist eigentlich Erfolg genug. Aber wie es sich für einen Sportler gehört, bin ich ehrgeizig und will immer noch mehr erreichen. Ich möchte unbedingt einmal in einer ersten Liga spielen können. Aber das ist Zukunftsmusik – zuerst muss ich mein Knie wieder in Ordnung bringen und dann schauen wir weiter.
World Wide Aargau
In unserer neuen Serie «World Wide Aargau» stellen wir Athletinnen und Athleten aus dem Kanton Aargau vor, die ihre Sportart im Ausland ausüben oder im Ausland trainieren. Schick uns eine Mail an redaktion@aargauersport.ch wenn du jemanden kennst, den wir in dieser Rubrik vorstellen könnten.