Sportförderung

Vier Frauen, vier Perspektiven auf den Aargauer Sport

von Fabio Baranzini – 17. Mai 2025

FC Aarau Frauen in Aktion

Bild: Christian Boss / Foto Wagner

Die Frauenfussball EM in der Schweiz kommt näher. Obwohl im Aargau keine Partien ausgetragen werden, will die Sektion Sport des Kantons Aargau den Schwung mitnehmen, um den Frauensport im Kanton Aargau mit verschiedenen Projekten fördern. Wir haben mit vier Frauen, die sich in ganz unterschiedlichen Funktionen engagieren, über die Herausforderungen von Frauen im Sport gesprochen.

Portraitbild Barbara Beutler

Bild: zur Verfügung gestellt

Barbara Henzi, J+S Expertin Fussball

«Nach meiner Zeit als Spitzenfussballerin habe ich begonnen, mich in der Ausbildung zu engagieren. Seit 2022 bin ich J+S Expertin Fussball – als einzige Frau im Aargau – und leite viele Kurse als Expertin und Instruktorin. Ich leite Einsteigerkurse, ein vierstündiger Theoriekurs, die C-Basic Kurse, die notwendig sind, damit man J+S-Gelder abrechnen kann, und verschiedene Fortbildungskurse. Alle diese Kurse werden im Normalfall offen für alle Geschlechter ausgeschrieben. Im Schnitt melden sich auf 45 Teilnehmende maximal drei Frauen an. Nicht selten kommt es vor, dass gar keine Frau dabei ist.

Wir haben deshalb im letzten Herbst erstmals einen reinen Frauen-Grundkurs ausgeschrieben und hatten 14 Teilnehmerinnen. Das war ein toller Erfolg, weil wir mit diesem einen Kurs gleich viele Frauen ausbilden konnten, wie sonst in fünf Jahren. Wir haben an diesem Kurs auch gefragt, weshalb die Frauen an diesem reinen Frauenkurs teilgenommen haben und nicht an einem gemischten Kurs. Die Antwort war klar: Die Hemmschwelle für Frauen ist zu gross, weil man im J+S Grundkurs Fussball aktiv mitspielen muss und viele Frauen das nicht gemeinsam mit den Männern tun möchten.

Aufgrund dieser Erkenntnis werden wir nun versuchen, jedes Jahr einen reinen Frauenkurs zu organisieren. Ich finde es wichtig, dass wir mehr Frauen als Trainerinnen im Fussball haben. Wir müssen hinstehen und sagen, dass eine Frau genauso gut eine Mannschaft trainieren kann wie ein Mann. Dafür brauchen wir aber auch mehr Frauen, die eine entsprechende Ausbildung haben.»

Portraitbild Pia Mützenberg

Bild: zur Verfügung gestellt

Pia Mützenberg, Handball Funktionärin

«Ich engagiere mich seit über 40 Jahren in verschiedenen Regionalverbänden für den Handballsport – immer auf ehrenamtlicher Basis. Ich kümmere mich vor allem um die Verteilung der Fördergelder aus dem Swisslos-Sportfonds an die Vereine und habe auch im Mini-Handball beim nationalen Verband mitgeholfen. In meiner gesamten Funktionärslaufbahn war ich – bis auf eine Ausnahme – immer die einzige Frau in diesen Gremien. Das war nicht immer einfach und ich musste mir gerade in der Anfangsphase immer wieder dumme Sprüche anhören. Das ist mittlerweile deutlich besser geworden, aber es kommt leider immer noch vor.

Ich weiss nicht, ob das der Grund ist, weshalb Frauen seltener Funktionärsaufgaben in Vorständen übernehmen. So richtig erklären kann ich es mir nicht, weshalb die Frauen weniger bereit sind, ehrenamtliche Arbeiten in Vorständen zu übernehmen als Männer. Ich fände es sehr begrüssenswert, wenn der Frauenanteil höher wäre. Wir Frauen ticken einfach anders als die Männer und nehmen oftmals eine andere, eine menschlichere Perspektive ein. Das ist etwas, das gerade der älteren Generation Männer noch immer schwerfällt.

Trotz allem macht mir die Arbeit in den Vorständen noch immer sehr viel Spass. Und ich werde auch weitermachen, solange ich merke, dass ich an der Basis noch immer etwas bewegen kann und meine Arbeit geschätzt wird. Wenn das nicht mehr der Fall ist, werde ich aufhören.»

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Portraitbild Jenny Gal

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Jenny Gal, Judo Trainerin

«Ich bin seit zwölf Jahren Leiterin des kantonalen Nachwuchskaders im Judo, wo ich jede Woche ein Training leite und die gesamte Organisation und Administration übernehme – letzteres mehrheitlich auf ehrenamtlicher Basis. Zudem bin ich auch noch als Trainerin in der Academy des nationalen Leistungszentrums des Schweizer Judo Verbandes angestellt, wo ich ein 40 Prozent Pensum bestreite. Wir haben im Judo erfreulich viele Frauen, die sich als Leiterinnen engagieren. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass im Judo die Mädchen und Jungs eigentlich immer zusammen trainieren. Im Kantonalkader ist der Mädchenanteil in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Aktuell haben wir fast 50 Prozent Mädchen.

Ich halte es für wichtig, dass gerade die Mädchen immer auch eine weibliche Ansprechperson haben. Schliesslich passiert bei den Mädchen in diesem jungen Alter enorm viel – gerade in der Pubertät. Je höher das sportliche Niveau wird, desto weniger Frauen sind allerdings als Trainerinnen im Einsatz. In den Nationalkadern (U18, U21, Elite) sind leider keine Frauen mehr dabei. Das ist schade und wäre gerade bei den U18 und U21 besonders wichtig. In diesem Bereich sind uns andere Sportarten voraus.

Auch wenn die Situation im Judo im Vergleich zu anderen Sportarten bezüglich Frauen in Trainerpositionen an der Basis sicher nicht schlecht ist, gibt es einen Punkt, wo ich mich als Frau klar benachteiligt sehe. Wenn ich als Trainerin eine neue Gruppe von Jugendlichen übernehme, muss ich mich bei den Jungs als Trainerin immer zuerst beweisen, bevor sie mich als Trainerin akzeptieren und respektieren. Da haben es Männer wahrscheinlich einfacher – einfach aufgrund ihres Geschlechts.»

 

Portraitbild Lisa Diggelmann

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Lisa Diggelmann, Leiterin Sektion Sport Stadt Aarau

«Ich habe bis 2014 Fussball gespielt, unter anderem in der Leistungssport-Abteilung der FC Luzern Frauen. Seit viereinhalb Jahren bin ich nun Leiterin der Sektion Sport der Stadt Aarau. Wir koordinieren die Belegung sämtlicher städtischer Sportinfrastrukturen, vergeben gemeinsam mit der Sportkommission Sportfördergelder, sind bei Bauprojekten von Sportanlagen beteiligt und sind Ansprechpartner für Stadt- und Einwohnerrat, sowie alle Aarauerinnen und Aarauer, wenn es um Sportfragen geht.

In der Stadt Aarau gibt es rund 150 Sportvereine, wovon wir regelmässigen Austausch mit rund 70 Vereinen pflegen. Meistens geht es dabei um Belegungsfragen und Infrastrukturprojekte. Rund drei Viertel der Ansprechpersonen aus den Vorständen der Vereine sind Männer. Ich wünschte mir, dass wir da einen höheren Frauenanteil hätten, denn es ist wissenschaftlich belegt, dass gemischte Teams besser funktionieren. Ich merke aber auch in meiner Funktion als Sportkoordinatorin, dass diese Rolle in vielen Gemeinden und Städten vorwiegend von Männern besetzt ist. Warum das so ist, kann ich mir nicht erklären, aber auch hier wären mehr Frauen wünschenswert.

In der Zusammenarbeit mit den Vereinen stellen wir fest, dass es aktuell drei grosse Herausforderungen gibt: Es ist schwierig, Sponsoren zu finden, es fehlt oftmals an Personen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, und teilweise fehlt das Verständnis gegenüber den Bedürfnissen der anderen Sportarten und den zugegebenermassen teilweise langsamen Prozessen der Verwaltung und Politik. Letzteres ist vor allem dann ein Thema, wenn es um die Sportinfrastruktur geht, wo wir in Aarau praktisch bei einer Auslastung von 100 Prozent sind bei Fussballplätzen und Turnhallen.»