Coronavirus

«Der ideale Zeitpunkt, um strategische Fragen zu klären»

von Fabio Baranzini – 1. Mai 2020

Gynmnastik-Darbietung am Turnfest in Aarau

Bild: Fabio Baranzini

Die Coronakrise stellt auch die Sportwelt vor ganz neue Probleme und Herausforderungen. Das gilt insbesondere auch für Sportvereine. Wir haben mit Philipp Moor, Geschäftsführer von «vereinscoaching.ch», über die Auswirkungen der Krise gesprochen. Und auch darüber, wie Vereine die Krise zu ihren Gunsten nutzen können.

Philipp, was glaubst du: Wie wird die Coronakrise unsere Sportszene verändern?
Da müssen wir unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Veränderungen. Ich glaube, dass die Veränderungen in der Sportszene langfristig nicht sehr gross sein werden, sobald man dann wieder Anlässe und Events besuchen und durchführen kann. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Entsprechend wird der Alltag im Sport auch wieder zurückkehren und die Coronakrise wird etwas aus dem Fokus verschwinden. Event-Organisatoren werden allerdings künftig mehr Wert auf eine Risikoanalyse legen. Auch eine Eventualplanung für das Eintreffen einer Pandemie muss berücksichtigt werden.

Und kurzfristig?
Da sieht es natürlich ganz anders aus. Die vielen Unterbrüche oder Absagen von Meisterschaften oder verschobenen Sportevents ziehen ganz viele Dinge nach sich. Organisatoren und Vereine müssen deswegen finanzielle Einbussen in Kauf nehmen, die im Extremfall existenzbedrohend sein können. Kommt hinzu, dass die Sponsorengelder wohl in diesem und im kommenden Jahr nicht so grosszügig vergeben werden wie vor der Coronakrise. Auch das könnte kurzfristig Konsequenzen haben. Zum Glück bieten Bund und Kantone mit öffentlichen Geldern eine wichtige Unterstützung für die Sportszene. Das ist natürlich sensationell.

Was könnten denn die Sportvereine ihrerseits tun, um die finanziellen Einbussen einzudämmen?
Wichtig ist sicher, dass die Vereine den Kontakt zu ihren Sponsoren weiterhin pflegen. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, um die oft propagierte Partnerschaft zu den Sponsoren auch wirklich zu leben. Ich habe beispielsweise einen Verein gesehen, der auf Social Media seine Mitglieder dazu aufgerufen hat, explizit bei den Vereinssponsoren einzukaufen und Waren zu bestellen. Das sind tolle Aktionen, die eine langfristige Partnerschaft zwischen Verein und Sponsoren natürlich unterstützen können. Auch können sich Vereine derzeit in den Dienst der Gesellschaft stellten. Beispielsweise mit dem Erledigen von Einkäufen für die Risikogruppe. So können die Vereine «Goodwill» schaffen, von dem sie dann im Gegenzug auch wieder profitieren können.

«Die Vereine müssen unbedingt aktiv mit ihren Mitgliedern kommunizieren und regelmässig den Kontakt suchen.»

Philipp Moor, Geschäftsführer «vereinscoaching.ch»

Zusätzlich zu den finanziellen Einbussen – welche weiteren Auswirkungen hat die Coronakrise für Sportvereine?
Das grösste Problem vieler Vereine ist, dass für ihre Mitglieder die sportlichen Ziele in dieser Saison komplett oder zumindest teilweise wegfallen. Eine Zeit ohne Wettkämpfe, ohne Turniere und vorläufig auch noch ohne Training ist schwierig. Gerade bei Sportarten, die einen engen Körperkontakt bedingen, wird die Pause wohl noch länger dauern. Wenn die Vereine in dieser Zeit nichts tun, um ihre Mitglieder bei Laune zu halten, kann es sein, dass sich die Mitglieder anders arrangieren, um zu trainieren. Im schlechtesten Fall stellen sie dann fest, dass sie den Verein gar nicht zwingend brauchen.

Was rätst du Vereinen, um dieses Szenario zu verhindern?
Die Vereine müssen unbedingt aktiv mit ihren Mitgliedern kommunizieren und regelmässig den Kontakt suchen. Im Idealfall können alternative Trainingsangebote umgesetzt werden. Da ist natürlich etwas Kreativität gefragt. Aber gerade mit Video-Trainings, Social Media Challenges oder ähnlichem lässt sich heute auch mit einem verhältnissmässig überschaubaren Aufwand viel machen.

Bietet denn die aktuelle Situation auch Chancen für Sportvereine?
Absolut. Aus der Erfahrung wissen wir, dass viele Vereine sich im stressigen Alltag kaum die Zeit nehmen können, um strategische Fragen zu besprechen. Wo soll der Verein in zehn Jahren stehen? Welche personellen Anpassungen sind nötig? Wie steht es um die Digitalisierung? Welche Prozesse können optimiert werden? Das sind nur ein paar Beispiel von Fragen, die in Sportvereinen oftmals zu kurz kommen. Genau jetzt ist aber der ideale Zeitpunkt, um strategische Fragen zu klären.

 

Portrait von Philipp Moor

Bild: zur Verfügung gestellt

Hinweis

«vereinsocaching.ch» berät und coacht Vereine, damit diese den Herausforderungen der heutigen Zeit gewachsen sind. Von Vereinsmenschen zu Vereinsmenschen werden Vereine und Verbände von «vereinscoaching.ch» als neutrale Sparringpartner unterstützt bei der  Zielerreichung und bei Fragen. Weitere Informationen findest du hier.