Special-Award
Der Mann, der immer einen Weg findet
Bild: FOTO Wagner
Vor einem Jahr hat Kanutin Sabine Eichenberger den Special Award Leistungssport gewonnen. In diesem Jahr ist es Kurt Müller. Weshalb die Landhockey-Legende «Kudi» Müller der verdiente Gewinner des Special Award Leistungssport ist, erfährst du im Portrait.
Wäre es nach dem Vater von Kudi Müller gegangen, dann wäre aus seinem Sohn ein Fussballer geworden. Die gemeinsamen Besuche der FC-Wettingen-Heimspiele von Papa und Jüngling in der Altenburg gehörten am Wochenende dazu. Doch Klein Kurt wollte sich nicht so recht vom Fussball-Virus anstecken lassen. Er hatte eine ganz andere Sportart im Visier: Landhockey. Im Alter von zehn Jahren besuchte er zum ersten Mal ein Training des HC Wettingen. Ohne Erlaubnis der Eltern natürlich.
Doch schon damals entwickelte Kudi Müller einen Charakterzug, der ihn sein ganzes Leben lang prägen sollte. «Wer will, der findet Wege. Wer nicht will, der findet Gründe», lautete sein Motto, dass er auch später noch befolgen und auch lehren sollte. Oder anders ausgedrückt: Wenn man etwas unbedingt erreichen will, dann kann man sich immer irgendwie arrangieren. Der Teenager liess sich von der Opposition des Vaters nicht beirren und blieb bei seinem selbst gewählten Hobby. Zumal schnell einmal klar wurde, dass dieser Jüngling ziemlich talentiert ist in der Sportart Landhockey. Mit 14 Jahren wurde Müller das erste Mal in die Junioren-Nationalmannschaft aufgeboten. Und überzeugte damit auch seinen lange Zeit skeptischen Vater. «Er war mächtig stolz auf mich. Und somit war endlich klar, dass ich von nun an offiziell Landhockey spiele», erinnert sich Müller lächelnd.
«Wer will, der findet Wege. Wer nicht will, der findet Gründe.»
Mit 19 Jahren Spielertrainer
Doch Kudi Müller wäre nicht Kudi Müller, wenn er nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte, um auch sein Umfeld zu seinem neuen Lieblingssport zu locken. Den bequemen Bruder zum Trainingsbesuch überreden? Wie wäre es mit 50 Rappen Belohnung pro Training? Gesagt, getan. Der Bruder kam brav ins Training, später auch die Schwester. Damit war nun die ganze Familie Müller im Landhockey-Business involviert. So wie es später auch bei der eigenen Familie von Kudi Müller der Fall sein sollte.
Was folgte, war eine Spieler- und Trainerkarriere, die einen vor Staunen schlicht und einfach erblassen lässt. Mit 14 Jahren war Kudi Müller nicht nur Junioren-Nationalspieler, sondern gehörte auch schon zu den Stammkräften des NLB-Teams des HC Wettingen. Mit 19 bestritt er sein erstes, offizielles Herren-Länderspiel und übernahm gleichzeitig mal eben den Posten des Spielertrainers beim HCW. Das drückt so ziemlich alles über die Leaderqualitäten aus, die Müller schon in jungen Jahren in die Waagschale werfen konnte. Als Spielertrainer beim HC Wettingen war er gleichzeitig auch Trainer der HCW-Damen und führte diese auf Anhieb zum ersten Schweizer Meistertitel der Vereinsgeschichte.
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Im zweiten Anlauf hats gepasst
«Ich kenne niemanden, der seine Mitmenschen besser motivieren kann als Kudi», erzählt ein langjähriger Weggefährte Müllers. Er war und ist ein Mann, der sein Umfeld förmlich mitreissen kann. Der immer nach dem Optimum strebt, der immer gewinnen will. Ohne, dass er dabei aber sein Gespür für die Mitstreiter an seiner Seite verlor. Wenn er aber merkte, dass das Umfeld nicht wirklich mitziehen mag, dann zog er die Konsequenzen. Wie etwa 1981, als er sich nach einer einjährigen Stippvisite beim Lokalrivalen Rotweiss wieder verabschiedete und zum HCW zurückkehrte. Was damals noch nicht so recht passen wollte, sollte neun Jahre später aber der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte werden.
Die «Fusion» von Kudi Müller mit Rotweiss Wettingen gelang im zweiten Anlauf. Nach seinem Rücktritt als Spieler im Jahr 1992 startete er eine Trainerkarriere, die in der Schweizer Landhockey-Szene wohl ihresgleichen sucht. 1995 beendete er mit der Herrenmannschaft von Rotweiss eine acht Jahre dauernde Durststrecke und feierte den Meistertitel. 1999 war er der erste Coach, der die Damen-Equipe von Rotweiss zum Meistertitel führte und damit die Basis für eine Dominanz legte, die bis zum heutigen Tag anhält – 2019 feierten die Damen ihren 18. Triumph in 21 Jahren. Den Männern ist ab dem Jahr 2000 übrigens dasselbe Kunststück gelungen.
Die ganze Familie ist dabei
Dass dieser Aufschwung eng mit dem Funktionärs-Wirken von Kudi Müller zusammenhängt, liegt auf der Hand. Müller war und ist eines dieser Zugpferde, die man heutzutage kaum mehr findet. Ja, die eigentlich unersetzlich sind in jedem Sportklub. Und nebenbei hatte er ja noch einen Job – und eine Familie. Doch auch hier kam immer wieder sein oben genanntes Motto zur Anwendung. Irgendwie brachte er alles unter einen Hut – ohne, dass irgendjemand oder irgendetwas darunter leiden musste. Zumal sich der familiäre Schwerpunkt sowieso bald einmal auf die Bernau verlagerte, wo sowohl sein Sohn Patrick als auch seine Tochter Michelle mit dem Landhockey begannen. Patrick machte übrigens eine schöne Karriere in dieser Sportart, in welcher die Schweiz im weltweiten Vergleich nur eine Nebenrolle spielt. Patrick Müller spielte acht Jahre lang in der Deutschen Bundesliga für den Traditionsverein Der Club an der Alster Hamburg. Auch jetzt ist er immer noch dort engagiert – mittlerweile als Trainer.
Eine einmalige Karriere
Die U12-Equipe von Rotweiss mit seinem Sohn, die Kudi Müller um den Jahrtausendwechsel herum übernahm, ist noch heute sein ganzer Stolz: «Diese Mannschaft konnte ich total begeistern. Von diesen Junioren wurden die meisten Nationalspieler», erzählt er mit glänzenden Augen. Es war eine Generation, die den ganzen Klub noch lange sportlich prägen sollte. Mit Müller als treibende Kraft im Vorder- und Hintergrund. In dieser Zeit hatte Kudi Müller auch das Internationale Hallenhockeyturnier für Jugendteams ins Leben gerufen. Dieses Turnier prägte er mit seinem Team die ersten fünf Jahre. Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Anlass findet nächstes Jahr zum 20. Mal statt.
Alle Errungenschaften des Manns, der im April seinen 60. Geburtstag feiern wird, aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Klar ist aber: Einen Menschen, der einen ganzen Klub, ja fast eine ganze Sportart mit seiner Leidenschaft und seinem Herzblut jahrelang in Schwung gehalten hat und immer noch hält, den findet man nur in absoluten Ausnahmefällen. Kudi Müller darf auf eine Spieler-, Trainer und Funktionärskarriere zurückblicken, die einmalig ist. Und die allerhöchste Anerkennung verdient. Herzliche Gratulation zum Gewinn des Special-Awards!
Special Award Leistungssport
Die Vereinigung Aargauer Sportjournalisten (VASJ) hat die Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft (IG) Sport Aargau und der Sektion Sport des kantonalen Departementes BKS intensiviert. Aus dem Preis für besondere Verdienste im Sport ist der Special Award Leistungssport geworden. Neu können auch Aargauer Spitzensportler zum Abschluss ihrer Karriere für ihre gesamte Laufbahn geehrt werden.