Sport und Ausbildung

Lehre und Leistungssport kombinieren? So funktionierts!

Gruppenbild der Leistungssport-Lernenden der Berufsschule Aarau

Zusätzlich zum Sportgymnasium und dem Sport-KV gibt es im Kanton Aargau auch die Möglichkeit, eine Sportlehre in industriell-gewerblichen Berufen zu absolvieren. In einer dreiteiligen Serie widmen wir uns detailliert dieser Möglichkeit und beleuchten sie aus verschiedenen Perspektiven.

Sport und Ausbildung zu kombinieren, ist der Wunsch von vielen jungen Athletinnen und Athleten. Im Kanton Aargau ist das auf verschiedenen Altersstufen möglich. Wer in der Oberstufe Leistungssport und Ausbildung verbinden möchte, hat im Kanton Aargau die Möglichkeit, die Sportschule Aarau-Buchs zu besuchen. Auf allen drei Leistungsstufen – Bez, Sek und Real – kann dort Sport und Schule kombiniert werden. Wer den Sprung in die Sportschule nicht schafft, kann sich nach einer individuellen Lösung umschauen. Entsprechende Möglichkeiten sind hier zu finden.

Wer nach der obligatorischen Schulzeit mit dieser Kombination weiterfahren will, kann dies ebenfalls im Kanton Aargau tun. Nebst der schulischen Lösung am Sportgymnasium kann auch eine berufliche Ausbildung im KV oder eine Lehre in einem gewerblich-industriellen Betrieb unter leistungssportfreundlichen Bedingungen absolviert werden. Dass insbesondere die letzte Option zur Verfügung steht, ist dem Engagement des Kantons Aargau zu verdanken. Denn nur in wenigen anderen Kantonen ist es möglich, eine Berufslehre im gewerblich-industriellen Bereich mit Leistungssport zu kombinieren.

«Uns war es ein grosses Anliegen, dass wir im Aargau die Möglichkeit schaffen, eine Berufslehre mit der Leistungssportförderung zu kombinieren.»

Karin Wunderlin, Leiterin Leistungssport Sektion Sport

Gymnasium, KV und Berufsschule

«Uns war es ein grosses Anliegen, dass wir im Aargau die Möglichkeit schaffen, eine Berufslehre mit der Leistungssportförderung zu kombinieren. Es soll nicht nur den akademischen Weg geben, um Sport und Ausbildung zu verbinden», sagt Karin Wunderlin, Leiterin Leistungssport der Sektion Sport des Kantons Aargau. Und so ist man beim Kanton Aargau stolz darauf, dass man mit der Alten Kantonsschule Aarau nicht nur ein Swiss Olympic zertifiziertes Sportgymnasium hat, sondern auch die Handelsschule KV Aarau und die Berufsschule Aarau, die ebenfalls die entsprechenden Kriterien von Swiss Olympic erfüllen und zertifiziert sind.

Diese Angebote werden denn auch rege genutzt. Derzeit absolvieren 29 Aargauer Nachwuchstalente eine KV-Ausbildung und 34 eine gewerblich-industrielle Berufslehre. Doch wer kann denn überhaupt von diesem Angebot profitieren? Wie findet man eine passende Lehrstelle? Und wie sieht der Lehralltag aus? Wir haben nachgefragt bei Harald Gloor, der seit fast 20 Jahren als Koordinator Berufslehre und Leistungssport an der Berufsschule in Aarau arbeitet.

Leistungssport an der Berufsschule Aarau

Die Berufsschule Aarau bietet die Kombination von Leistungssport und einer Lehre in industriell-gewerblichen Betrieben an. Eine Übersicht, welche Athletinnen und Athleten aktuell eine Sportlehre absolvieren, sowie zusätzliche Informationen zu dieser Ausbildungsform, findest du hier.

 

Harald, welche sportlichen Voraussetzungen müssen für eine Sportlehre erfüllt sein?
Es gibt drei Grundvoraussetzungen, die jeder Sportler und jede Sportlerin erfüllen muss. Der Trainingsumfang pro Woche muss ohne Wettkämpfe mindestens zehn Stunden betragen, es muss ein Athletenbetreuer zur Verfügung stehen, der die sportliche Ausbildung begleitet, und der Sportler oder die Sportlerin braucht mindestens eine regionale Swiss Olympic Talent Card.

Wenn ich diese Voraussetzungen erfülle, muss ich eine passende Lehrstelle finden. Wie gehe ich da am besten vor?
Wer sich für eine Sportlehre interessiert, soll am besten rund ein Jahr vor Lehrbeginn mit mir Kontakt aufnehmen. Ich führe dann mit dem Sportler oder der Sportlerin und den Eltern ein Gespräch und kläre danach die sportliche Situation ab. Wenn die Situation passt, verfasse ich ein Empfehlungsschreiben, das die jungen Sportlerinnen und Sportler ihren Bewerbungen beilegen können. So sehen die Lehrbetriebe auf den ersten Blick, worum es geht.

Aber woher weiss ich denn, welche Lehrbetriebe überhaupt bereit sind, Sportlerinnen oder Sportler auszubilden?
Grundsätzlich gilt: Jeder Lehrbetrieb darf Sportlerinnen und Sportler ausbilden. Grundvoraussetzung ist, dass der Lehrbetrieb bereit ist, mindestens 10 Prozent der Arbeitszeit des Lernenden für Trainings und Wettkämpfe zur Verfügung zu stellen. Am besten stehen die Chancen natürlich bei Lehrbetrieben, bei denen man persönliche Kontakte hat. Darum: Zuerst die Eltern fragen, die Sponsoren des Vereins fragen und Unternehmen in der näheren Umgebung fragen.

«Das Wichtigste ist: Unbedingt einen Beruf auswählen, den man auch wirklich gerne macht.»

Harald Gloor, Koordinator Leistungssport und Berufslehre

Warum aus der näheren Umgebung?
Es ist absolut entscheidend, dass die Wege zwischen Arbeit, Training und Zuhause nicht zu lang sind. Sonst verliert man zu viel Zeit.

Worauf sollte man denn sonst noch achten beim Suchen eines möglichen Lehrbetriebs?
Die Zeitdauer der Lehre ist wichtig. Wer eine Sportart betreibt, in der man mit 18 oder 19 Jahren den Sprung in die erste Mannschaft schaffen muss, der sollte eher eine dreijährige Lehre machen, damit er mit 19 fertig ist. Wer eine Sportart ausübt, die vorwiegend im Sommer stattfindet, der sollte nicht unbedingt Maurer lernen, denn auch die Maurer haben im Sommer Hochbetrieb. Da würde sich beispielsweise ein Beruf wie Forstwart besser eignen, denn die haben ihren Peak im Winter. Das Wichtigste aber ist ohnehin: Unbedingt einen Beruf auswählen, den man auch wirklich gerne macht. Um herauszufinden, welcher Beruf das ist, empfehle ich die Berufsberatung «ask!». In Aarau ist Martin Ziltener spezialisiert auf die Sportlehre, in Baden Daniel Ernst.

Plattform für Lehrstellensuchende

Alle offenen Lehrstellen im Kanton Aargau sind auf der Plattform ag.ch/lena zu finden. Bei den erweiterten Sucheinstellungen besteht die Option, «Leistungssport möglich» anzuwählen. Im Kanton Aargau sind es aktuell 44 Lehrbetriebe, die von Swiss Olympic ausgezeichnet wurden, weil sie Sportlernende ausbilden. Grundsätzlich darf aber jeder Lehrbetrieb Sportlerinnen und Sportler ausbilden.

 

Wenn ich einen passenden Lehrbetrieb gefunden habe – wie wird dann die Zusammenarbeit mit dem Lehrbetrieb geregelt in Bezug auf die Trainings und Wettkämpfe?
Wenn ein Lehrbetrieb gefunden wurde, gibt es ein Treffen mit dem Lehrmeister, dem Athletenbetreuer, dem künftigen Lernenden und mir. Dabei erarbeiten wir gemeinsam eine Zusatzvereinbarung zum Lehrvertrag für Leistungssportler. Und in dieser Zusatzvereinbarung wird geregelt, unter welchen Bedingungen der Lernende 10 bis teilweise 20 Prozent der Arbeitszeit für Trainings und Wettkämpfe bekommt. Das können Noten in der Berufsschule, Leistungen im Lehrbetrieb und sportliche Resultate sein. Diese Zusatzvereinbarung ist jeweils unabhängig vom Lehrvertrag. Das ist sehr wichtig.

Warum?
Weil einige Zusatzvereinbarungen während der Lehre aufgelöst werden. In den allermeisten Fällen zeigt sich während der Lehre, dass die Sportkarriere sich nicht wie gewünscht entwickelt. Dann wird die Zusatzvereinbarung aufgelöst und aus der Sportlehre wird eine ganze normale Lehre.

Gehen wir davon aus, die Zusatzvereinbarung bleibt während der gesamten Lehrdauer bestehen. Wie sieht der Lehralltag der Leistungssportlerinnen und Leistungssportler aus?
Die Sportlerinnen und Sportler arbeiten ganz normal in ihrem Lehrbetrieb und besuchen die Berufsschule. Es gibt an den Berufsschulen im Aargau keine Sportklassen, da die Sportlerinnen und Sportler verschiedene Berufe erlernen und daher nicht dieselben Fächer besuchen müssen. Vom Lehrbetrieb erhalten die Nachwuchstalente die abgemachten Zeiträume frei, um zu trainieren. In regelmässigen Abstanden – mindestens einmal pro Halbjahr – tauschen Athletenbetreuer und Berufsbildner ihre Erfahrungen aus. Dabei wird auch überprüft, ob noch immer alle Bedingungen für die Zusatzvereinbarung erfüllt sind.

Deine Ansprechperson

Berufsschule Aarau
Harald Gloor
Koordinator Leistungssport und Berufslehre im Kanton Aargau
Tellistrasse 58
5004 Aarau
062 832 36 36
076 334 88 07
harald.gloor@bs-aarau.ch

Serie «Lehre und Leistungssport kombiniert»

Zusätzlich zum Sportgymnasium und dem Sport-KV gibt es im Kanton Aargau auch die Möglichkeit, eine Sportlehre in industriell-gewerblichen Berufen zu absolvieren. In einer dreiteiligen Serie widmen wir uns detailliert dieser Möglichkeit und beleuchten sie aus verschiedenen Perspektiven.

Teil 1: Lehre und Leistungssport kombinieren? So funktionierts

Teil 2: «Das Wasser steht teilweise bis zum Hals und der Druck ist enorm»

Teil 3: «Leistungssportler auszubilden, ist eine Bereicherung für jeden Betrieb»