Sportrecht

«Mitgliederbeiträge müssen nicht zurückbezahlt werden»

von Fabio Baranzini – 18. März 2020

Portraitbild Stefan Pfister

Bild: zur Verfügung gestellt

Die wegen des Coronavirus abgesagten Events und abgebrochenen Meisterschaften stellen viele Sportvereine und Organisatoren unter anderem vor rechtliche Probleme. Müssen bereits bezahlte Tickets zurückerstattet werden? Was geschieht mit Saisonabos für eine abgebrochene Meisterschaft? Und wie sieht es mit Sponsoringverträgen für abgesagte Events oder Mietverträgen für Sportanlagen aus? 

Alle diese Fragen haben wir mit Stefan Pfister besprochen. Stefan Pfister ist Experte für Sportrecht und Partner in der Kanzlei «Freiermuth Studer Rechtsanwälte» in Zofingen. Zudem ist er Präsident der Rekurskommission beim Aargauischen Fussballverband AFV,  Einzelrichter beim Schweizerischen Radsportverband Swiss Cycling und betreibt zusammen mit einer Sportärztin die externe Meldestelle für Swiss-Ski.

Stefan, wenn Leute ein Ticket für eine Veranstaltung gekauft haben, die wegen des Coronavirus abgesagt wurde, erhalten sie ihr Geld vom Veranstalter zurück?
Grundsätzlich gelten in einem solchen Fall die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die alle grossen Sportveranstaltungen für ihren Ticketverkauf haben. Beim Schweizerischen Fussballverband ist beispielsweise geregelt, dass der Kunde bei der ersatzlosen Streichung eines Länderspiels den Nennwert des Tickets zurückbekommt. 

Und wenn es sich um eine kleinere Veranstaltung handelt, die keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ticketverkauf hat?
In diesem Fall kommt bei einer Absage während des Lockdowns der Artikel 119 des Schweizerischen Obligationenrechts zur Anwendung. Dort wird festgehalten, dass wenn bei einem zweiseitigen Vertrag nicht anders vertraglich vereinbart oder gesetzlich geregelt – und dazu zählt auch ein Ticketverkauf – der Veranstalter den Preis für das Ticket zurückerstatten muss. Das gilt übrigens auch für Startgelder.

«Es macht sicher Sinn, dass die Vereine den Zuschauern mit Saisonabos einen prozentualen Anteil des Preises für das Abo zurückzahlen.»

Stefan Pfister, Experte für Sportrecht

Wie sieht es bei Veranstaltungen aus, die nach dem «Lockdown» durch den Coronavirus geplant waren, aber dennoch abgesagt werden müssen?
Dort ist die Sache etwas komplizierter. Man kann jedoch ohne weiteres argumentieren, dass auch Veranstaltungen kurz nach dem Lockdown derart stark vom Coronavirus betroffen sind, dass die Situationimmer noch gemäss  Artikel 119 Obligationenrecht zum «Unmöglichwerden einer Leistung» beurteilt werden kann. Irgendwann läuft aber diese Frist ab. Wann das der Fall ist, hängt von der Grösse und den Ressourcen der Veranstaltung ab. Dann wird der Veranstalter unter Umständen schadenersatzpflichtig, weil ihn ein Verschulden an der Absage trifft. Im Streitfall entscheidet das Zivilgericht oder bei einer entsprechenden Schiedsklausel im Vertrag das Sportgericht CAS

Der Abbruch der Meisterschaft in einigen Sportarten führt dazu, dass Saisonabos nicht komplett eingelöst werden konnten. Was passiert in diesen Fällen?
Da macht es sicher Sinn, dass die Vereine den Zuschauern mit Saisonabos einen prozentualen Anteil des Abopreises zurückzahlen. Den gesamten Betrag müssen die Vereine und Veranstalter nicht zurückbezahlen, da die Zuschauer ja vor dem Lockdown einen Teil der «Leistungen» – sprich Spiele – erhalten hatten.

Gilt das auch für die Mitgliederbeiträge in Sportvereinen? Die Mitglieder dürfen ja jetzt während mindestens einem Monat die Sportanlagen ihrer Vereine nicht benutzen. 
Nein, dort sieht die Situation anders aus. In diesem Fall kommt nämlich das Vereinsrecht zur Anwendung. Normalerweise wird an der Generalversammlung des Vereins der statutarische Mitgliederbeitrag festgelegt und basierend darauf wird dann auch das Vereinsbudget gemacht. Der Mitgliederbeitrag wurde also demokratisch von den Mitgliedern festgelegt und bleibt damit auch im Fall der Nicht-Benutzung der Sportanlagen wegen der Coronakrise bestehen. Zumal eine Mitgliedschaft in einem Verein ja auch nicht nur die Benutzung der Sportanlage beinhaltet. Anders wäre die Situation, wenn einzelne Mitglieder zusätzlich etwas für die Benutzung der Sportanlagen bezahlen würden. Dann hätten wir die vorher besprochene Ausgangslage.

«Genau wie es eine Lohnfortzahlung im Arbeitsverhältnis gibt, kann man auch Mietverträge wegen der Corona-Krise nicht einfach per sofort auflösen oder aussetzen.»

Stefan Pfister, Experte für Sportrecht

Sportvereine, die keine eigene Sportanlage haben, mieten sich auf bestehenden Sportanlagen ein. Haben diese Vereine in der jetzigen Situation ein Anrecht darauf, dass sie die Mietkosten zurückerhalten, weil sie die Anlage nicht benutzen können?
Nein, das ist nicht der Fall. Genau wie es eine Lohnfortzahlung im Arbeitsverhältnis gibt, kann man auch Mietverträge wegen der Corona-Krise nicht einfach per sofort auflösen oder aussetzen. Auch hier kennt das Gesetz eine in Artikel 119 Obligationenrecht erwähnte Sonderregelung. Ich empfehle jedoch, in der aktuellen Lage mit dem Vermieter in Kontakt zu treten und die Situation zu besprechen. Vor allem dann, wenn der Lockdown noch länger dauern sollte. Im Minimum muss der Vermieter im Rahmen der Schadenminderungspflicht die geringeren Kosten für den Betrieb der Sportanlage – Beleuchtung, Beheizung, Reinigung etc. – an den Mieter weitergeben. Auch Ersatzeinnahmen etwa aus Versicherungsleistungen oder Weitervermietung – etwa wenn in Sporthallen Sanitätsräume eingerichtet werden – müsste sich der Vermieter anrechnen lassen.  

Zum Abschluss würde ich gerne noch auf das Thema Sponsoring zu sprechen kommen. Ist ein Veranstalter verpflichtet, den gesamten Sponsoringbetrag zurückzuzahlen, wenn ein Event wegen des Coronavirus abgesagt wird?
Wenn ein Event während oder kurz nach dem Lockdown stattgefunden hätte, dann gilt: Jeder gibt das zurück, was er bereits bekommen hat. Das muss aber nicht in jedem Fall der gesamte Sponsoringbetrag sein. Gerade wenn Events kurzfristig abgesagt werden, hatten die Sponsoren auf der Webseite, den Plakaten und den Flyern ja trotz allem eine gewisse Präsenz. Diese kann angerechnet werden. Kommt hinzu: Die meisten Sponsoren haben ja auch ein Interesse daran, dass eine Partnerschaft langfristig  bestehen bleibt. Entsprechend ist es gut möglich, dass sie sich in der jetzigen Situation auch kulant zeigen und auf eine maximale Rückzahlung verzichten. 

Hinweis

Hast du weitere Fragen zu diesem Thema? Dann schick uns diese bis Ende März an redaktion@aargauersport.ch. Falls genügend Fragen zusammenkommen, werden wir eine zweite Fragerunde mit Sportrechtsexperte Stefan Pfister von «Freiermuth Studer Rechtsanwälte» machen.